Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten
»Brauchen wir noch Sprachunterricht?« versuche ich zu erläutern, dass innerhalb der nächsten Jahre so billige und so gut arbeitende Sprachübersetzungsgeräte (mit akustischer Ein- und Ausgabe) verfügbar sein werden, dass es kaum noch Sinn machen wird, eine Fremdsprache zu lernen, nur weil man bei einer Reise mit Einheimischen sprechen will. Trotz dieser Behauptung halte ich aber auch fest, dass es noch ein sehr weiter Weg ist zu einigermaßen perfekten Sprachübersetzungssystemen.
Die Situation ist bei der Sprachübersetzung ähnlich wie bei anderen »halbintelligenten« Problemen. Während es mit Standardmethoden möglich ist, »98 %« solcher Probleme zu lösen, erfordert die Lösung der »verbleibenden 2 %« einen exorbitanten Aufwand, ja es ist fallweise gar nicht gesichert, ob alle verbleibenden Probleme wirklich ganz in den Griff zu kriegen sind. Zwar gibt es heute auf gängigen Heimcomputern Schachprogramme, die jeden Amateur schlagen; wann es aber ein Schachprogramm geben wird, das (regelmäßig; nicht nur einmal wie inzwischen geschehen) Weltmeister besiegen kann, ist noch immer nicht klar. Zwar wird es Übersetzungsprogramme geben, die besser sein werden als selbst gute Schüler nach mehreren Jahren Fremdsprachenunterricht; wann, ja sogar ob es je perfekt arbeitende Sprachübersetzungsprogramme geben wird, ist aber unklar.
Im Folgenden werde ich anhand einiger Beispiele erklären, warum perfekte Sprachübersetzung so schwierig ist.
Zunächst ist es wichtig zu trennen zwischen
(1) der Umsetzung von gesprochener Sprache in geschriebene Sprache, zwischen
(2) dem inhaltlichen Verstehen geschriebener Sprache und
(3) dem Umsetzen eines »verstandenen« Satzes in eine andere Sprache.
Von diesen drei Bereichen ist (3) eigentümlicherweise der leichteste und ist mehr oder minder gelöst; die »Spracherkennung« (1) hingegen ist nicht zuletzt deshalb so schwierig, weil Spracherkennung ohne inhaltliches Verstehen nur bis zu einem gewissen Grad möglich ist, das inhaltliche Verstehen von Sprache (2) aber nur mit sehr viel »Umgebungswissen« durchführbar ist, weil die Erfassung des notwendigen Umgebungswissens (zu dem wahrscheinlich der gesamte Erlebnisschatz eines Menschen gehört) so schwierig (unmöglich?) ist, ist es so schwer (unmöglich?) ein »perfektes« Übersetzungsprogramm zu entwickeln.
Ohne Umgebungswissen kann die Aussage »DER GEFANGENE FLOH« als »Der Gefangene floh« oder als »Der gefangene Floh« gedeutet werden; der gesprochene englische Satz »THESEATHASANICECOVER« kann – je nachdem, ob das »N« zu A oder zu ICE gerechnet wird, also »an ice« oder »a nice« – heißen: »Die Bank ist mit Eis überzogen« oder »Der Sitz hat einen hübschen Überzug«. Die Bedeutung von »Er schoss auf das Tor« hängt dramatisch davon ab, ob wir als Zusammenhang ein Fußballspiel oder einen Gangsterfilm vor Augen haben. Im einen Fall müsste zum Beispiel bei einer Übersetzung ins Englische Tor als »goal«, im anderen als »door« übersetzt werden! Der einfache englische Satz »They are flying planes« kann – je nach Umgebung – interpretiert werden als »Das sind fliegende Flugzeuge« oder »Sie steuern Flugzeuge«. Die berühmte falsche Übersetzung »The ghost is ready but the meat is poor« des Bibelzitates »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« muss jedem Übersetzungsprogramm verziehen werden (das aus der Umgebung herausgelöst, Geist eben als Geist im Sinne von Gespenst und Fleisch im Sinne von essbarem Fleisch übersetzt). Selbst so einfache Begriffe wie zum Beispiel das englische Wort »poor« lassen sich nur mit Kenntnis der Umgebung richtig übersetzen, ins Deutsche nämlich entweder als »arm« (»the poor man«) oder als »schlecht« (»your performance is poor«). Und das Telegramm des Richters: »Das Alibi des Angeklagten stimmt; nicht hinrichten!«, das zur Hinrichtung des Häftlings führte, nur weil der Strichpunkt hinter das »nicht« rutschte (»Das Alibi des Angeklagten stimmt nicht; hinrichten!«), beweist deutlich, wie heikel das Verstehen von Sätzen (und damit das Übersetzen) ist.
Aber sogar auf der Ebene von Einzelworten gibt es (selbst zwischen ähnlichen Sprachen) bereits beachtliche Probleme, weil Nuancierungen einer Sprache in einer anderen fallweise nicht prägnant formulierbar sind. Das bekannteste Beispiel dafür sind vielleicht die 20 verschiedenen Ausdrücke für »Schnee«, die die kanadischen Eskimos verwenden; genauso übertreffen
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