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Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten

Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten

Titel: Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Maurer
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des Kandidaten) … das ist ein Kapazitätserweiterungseffekt aus der Betriebswirtschaftslehre.«
    So geht es weiter: Die Fragen prasseln auf den Kandidaten, der sie aber stets nach kurzem Nachdenken (so, als wüsste er die Antwort nicht; das Publikum liebt die dadurch entstehende Spannung) einwandfrei beantwortet.
    Das kurze Zögern, das kurze Nachdenken ist übrigens kein psychologischer Trick, auch das Wiederholen der Fragen nicht. Es ist eine technische Notwendigkeit, damit das unsichtbare Knopfmikrofon die Frage auch fehlerfrei aufnimmt und ins Nebenhaus abstrahlt, wo der Freund die Fragen hört, im (elektronischen?) Lexikon nachsieht und die Antwort zurücksendet in die massive Brille des Kandidaten, die als Empfänger arbeitet und die Antwort (wie bei Hörbrillen) direkt auf den Ohrknochen überträgt.
    Der Kandidat gewinnt die letzte Runde spielend. Bei der Preisverleihung wird sein »wahrhaft enzyklopädisches Wissen« lobend hervorgehoben. Der Kandidat lächelt. Nur er und sein Freund wissen, wie sehr sein Wissen enzyklopädisch ist … Es stammt ja direkt aus der elektronsichen Brockhaus- Enzyklopädie. (Eine sehr gute aber kleinere Version dieses elektronsichen Meisterwerkes ist dals Brockhaus Multimedial Premium in jedem guten Softwaregeschäft preiswert zu kaufen).
    Obige Geschichte soll darauf hinweisen, dass relativ einfache Technik heute jederzeit verfügbar ist, um bei Quizsendungen, bei Prüfungen in Schulen, Seminaren oder Universitäten, bei Interviews, bei öffentlichen Diskussionen, bei einem Schachturnier usw. massiv »zu helfen«, massiv zu schwindeln. Ich wundere mich, dass solche Methoden nicht schon viel mehr eingesetzt werden (oder werden sie mehr eingesetzt, als wir glauben?) bzw. dass nirgendwo Vorkehrungen gegen solche elektronische Schwindelmethoden getroffen werden.
    Übrigens sind eine Funksprechverbindung und ein Mithelfer in vielen Fällen gar nicht notwendig. Schüler, die zum Beispiel im Gymnasium einen Laptop-Computer verwenden dürfen (und die Grenze zwischen erlaubten Taschenrechnern und noch nicht universal erlaubten Laptops verschwimmt ja immer mehr), verfügen damit potenziell über eine sehr mächtige Unterstützung. Zur Übersetzung einer klassischen Lateinstelle zum Beispiel aus Tacitus tippen sie nur die ersten 30 Zeichen ein – damit wird die Stelle in Sekundenbruchteilen gefunden und die zugehörige deutsche Übersetzung aus der Tacitusübersetzung angezeigt; für alle Sprachen stehen umfangreiche Wörterbücher, Phrasen-, Zitat- und Ideen-Sammlungen zur Verfügung; fast jedes Mathematikproblem, das je bis zur Matura hin formuliert wird, kann von den besseren Mathematikprogrammen wie Maple oder Mathematica spielend gelöst werden; und dass das »Einsagen« bei mündlichen Prüfungen besonders einfach wird, ist offenbar: Der Schüler braucht ja nicht einmal das Knopfmikrofon, sein Helfer (der in der Klasse sitzt) hört die Frage ja ohnehin und braucht die Antwort nur mit nicht entdeckbarer Kleinstsendeleistung in die »Schwindelbrille« des Geprüften zu übertragen.
    Zusammenfassend ergeben sich damit für mich vier
    Hauptfragen:
    (1) Wie viel wird heute mit solchen »High-Tech«-Verfahren schon geschwindelt?
    (2) Wieso sind solche Verfahren nicht (noch) mehr verbreitet (vielleicht hat nur noch niemand die Marktlücke entdeckt)?
    (3) Was sollen und können wir gegen solche Verfahren unternehmen?
    (4) Bedeutet das alles nicht, dass viele Prüfungen, aber auch Unterrichtsinhalte durch andere ersetzt werden sollten? (Siehe dazu den Beitrag 3.5: »Was wird in Zukunft in Schulen unterrichtet?«.
    2.6 Unzuverlässige
    Computersysteme

    Wir erwarten von Maschinen, dass sie verlässlich arbeiten: Das gut gewartete Auto startet problemlos, der Elektrorasierer hat uns noch nie im Stich gelassen, die Waschmaschine macht uns während ihrer normalen Lebensdauer kaum Sorgen usw.
    Allerdings: Obwohl wir Maschinen oft behandeln, als wären sie weitgehend unfehlbar, sind sie es letztlich nicht. Selbst ein gepflegtes Spitzenauto hat manchmal unerwartete Mucken, das neue Fernsehgerät fällt noch während der Garantiezeit aus, der Rasenmäher lässt sich plötzlich nicht in Gang setzen und selbst so einfache Geräte wie der Tisch, an dem ich den ersten Entwurf dieses Beitrages schreibe, beginnen irgendwann zu wackeln.
    In diesem Sinn ist es eigentlich unverständlich, warum wir von Computersystemen und insbesondere Computerprogrammen eine hundertprozentige Verlässlichkeit fordern.

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