Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten
Und doch ist es genau dies, was seit Beginn der Computertechnik verlangt wird und Mathematiker, Informatiker und Ingenieure verzweifelt zu erreichen versuchen. Obwohl es verblüffend verlässliche Computerprogramme gibt, ist kaum ein einziges großes Programm je völlig fehlerfrei oder absolut zuverlässig und kann es wohl auch nicht sein.
»Computerphilosophen«, etwa J. Weizenbaum, haben in Büchern wie »Die Allmacht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft« immer wieder darauf hingewiesen, dass große Computersysteme fehleranfällig sind, und warnen daher mit Horrorszenarien vor dem Einsatz solcher Technik.
Ich wehre mich gegen das »Daher« in obiger Aussage. Es ist gar nicht vernünftig anzunehmen, dass ein Computersystem vollständig »stabil«, »fehlerfrei« oder »verlässlich« ist, weil dies auch keine andere Maschine, kein anderes System (ob Maschine oder Lebewesen) je ist.
Das bedeutet noch lange nicht, dass wir auf solche großen Computersysteme verzichten müssen oder sollen, nur weil sie »unzuverlässig« sind. Wir müssen uns nur sehr klar sein, dass sie nie hundertprozentig verlässlich sein können, wir müssen dies stets berücksichtigen und lernen, damit zu leben.
Dann werden wir mit »nicht perfekten« Computersystemen so gut und so schlecht zu Rande kommen, wie wir das mit unseren wichtigsten und komplexesten, aber auch nie perfekten Partnern zustande bringen: mit unseren Mitmenschen. Allerdings hat Weizenbaum in einem Punkt absolut Recht: wenn wir uns zu sehr auf eine Technik verlassen, dann kann das sehr gefährlich werden. Wie gefährlich zeigt deutlich der Roman »XPERTEN: Das Paranetz«.
2.7 Die Tyrannei des Messens
Die Entwicklung der Naturwissenschaften und der Technik hat es mit sich gebracht, dass wir die Messbarkeit vieler Eigenschaften akzeptiert haben. Wir messen die Zeit, die Temperatur, das Gewicht, die Geschwindigkeit, die Stärke eines Erdbebens usw. Messen erleichtert uns das Denken. Das Ausmaß von Phänomenen wird plötzlich vergleichbar: Die Antwortzeit des Computers ist manchmal viel kürzer als gerade jetzt, gestern war es heißer als heute, dieser Rucksack ist schwerer als jener, das Flugzeug ist zwölf Mal schneller als das Auto, das Erdbeben war doch nicht so stark wie ein anderes …
Weil wir viel messen und weil dieses Abbilden auf geordnete Zahlen so bequem ist, hat sich in unseren Hirnen allmählich als gefährliches Gift die Vorstellung eingeschlichen, dass alles messbar ist. Dabei sind komplexere Phänomene fast nie messbar (also zahlenmäßig darstellbar), weil sie aus vielen Komponenten (die vielleicht als einzelne messbar sind) bestehen. Und durch dieses Bestehen aus einzelnen Komponenten werden sie unmessbar und unvergleichbar.
So offensichtlich Obiges klingt, es wird immer wieder übersehen; immer wieder wird der Versuch gemacht, Unvergleichbares durch Messungen vergleichbar zu machen.
Das berühmteste und berüchtigtste Beispiel dafür ist der Intelligenzquotient (IQ), eine Zahl, die die Intelligenz einer Person ausdrücken soll. Man erhält den Intelligenzquotienten, indem man die Person gewisse Aufgaben lösen lässt und das Ergebnis dann dem Alter entsprechend »normiert« (IQ = »Intelligenz« dividiert durch Lebensalter).
Dabei sollte jedem vernünftigen Menschen klar sein, dass Intelligenz (= Problembewältigungsfähigkeit) von so vielen Komponenten abhängt, dass jede Intelligenzmessung ähnlich sinnlos ist wie das Messen von Eigenschaften wie Schönheit, Liebe oder Glück. Und doch haben sich ganze Schulen von Psychologen mit der Messung von Intelligenz beschäftigt, haben immer neue Tests ersonnen, ohne das Offensichtliche eingestehen zu wollen: Intelligenz beruht auf so vielen Eigenschaften (logisches Denken, Kreativität, räumliches Verstehen, Mustererkennung, bildliches Vorstellungsvermögen, Erinnerungsvermögen …), dass je nach Betonung dieser Eigenschaften Testpersonen ganz verschieden abschneiden.
Man kann nicht sagen: Person A ist intelligenter als Person B; Person A mag besser sein als B im räumlichen Verstehen von Bildern und im Kurzzeit-Erinnerungsvermögen, aber vielleicht schlechter im logischen Denken etc. Und weil Intelligenz auf so vielen (mindestens hundert) Grundeigenschaften beruht, ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person in allen Eigenschaften besser abschneidet als eine andere, verschwindend klein. Daher sind gewisse Menschen nicht intelligenter als andere, obwohl uns genau dies über Zahlen wie
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