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Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten

Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten

Titel: Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Maurer
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Organ der biologische, bilderzeugende Apparat, der Bildschirm, der sich auf Wunsch auf unserer Stirne öffnet und dort von uns erdachte, konkrete oder abstrakte Bilder anzeigt, in einem gewissen Sinne also ist das Fehlen dieses Organs fast wie ein Fluch, mit dem die Menschheit leben muss. Da sammeln wir im Laufe des Lebens umfangreiches Wissen oder durchleben Gefühle, Situationen und Erfahrungen und wollen dies alles unseren Mitmenschen, unseren Kindern, unseren Schülern mitteilen. Und haben größte Probleme damit, weil wir unsere Gefühle und Gedanken, die häufig nicht sprachlich, sondern bildlich vorliegen, kodieren müssen für den schmalen Kommunikationskanal Sprache. Und der Empfänger dieser akustischen Information muss in mühsamer Dekodierung versuchen die Bilder wieder zur rekonstruieren. Kein Zweifel, dass Mängel in diesem Kodierungs- und Dekodierungsprozess für viele zwischenmenschliche Missverständnisse verantwortlich sind!
    Wie viel einfacher wäre es doch, Fakten und Ansichten zu kommunizieren, wenn wir in der Lage wären, diese in für andere unmittelbar rezipierbare visuelle und akustische Form umzusetzen!
    Man beachte, dass das Herstellen von Filmen – obwohl dabei bewusst eine Kombination von visueller und akustischer Information geschaffen wird – keine echte Lösung darstellt. Erstens ist der Prozess zeitlich und finanziell so aufwendig, dass er höchstens für breite Streuung von Information, nicht aber für interaktive Kommunikation in Frage kommt; zweitens bildet er nur Vorgänge ab, die vorher in der realen Welt (oder jedenfalls der Welt der Filmstudios) geschaffen wurden; und drittens tendiert er dazu, Informationen viel zu konkret zu verpacken, wodurch die menschliche Phantasie zu sehr eingeengt wird.
    Dies ist auch der Grund, warum uns zum Beispiel Buchverfilmungen häufig so wenig befriedigen. Wo im Buch eine Person, eine Gegend, eine Situation grob beschrieben wird, wird im Film ein konkreter Mensch, eine tatsächliche Landschaft, eine spezielle Situation gezeigt: unsere Phantasie wird eingeengt, das Abstraktionsniveau ist zu niedrig. Das Bild der Hauptfigur, das wir uns auf Grund des Buches gemacht hatten, wird zum Beispiel zerstört durch das Auftreten eines bestimmten Schauspielers.
    Eine »abstrakte« Verfilmung eines Buches müsste solche Probleme vermeiden – etwa indem, wie im klassischen griechischen oder japanischen Theater, Schauspieler mit Masken auftreten, um eine Frau oder einen Mann darzustellen, ohne durch Details abzulenken. Und analog müsste in einem abstrakten Film auch in allen anderen Belangen so stark mit Symbolen gearbeitet werden, dass eine zu starke Konkretisierung verhindert wird.
    Abgesehen von einigen ganz rudimentären Ansätzen (zum Beispiel mit Zeichentrickfilmen) ist unsere Erfahrung mit der Herstellung bewegter abstrakter Bilder sehr gering. Und dies, obwohl für den visuellen Kommunikationsprozess solche abstrakte bewegte Bilder – da nahe an vielen Denkvorgängen – besonders wichtig wären.
    Damit ergibt sich eine insgesamt deprimierende Situation. Wir haben kein Sinnesorgan für die willkürliche und unmittelbare Produktion von (bewegten) konkreten oder abstrakten Bildern, ja verstehen nicht einmal ansatzmäßig, wie bewegte abstrakte Bilder für eine leistungsfähige Bildkommunikation aussehen müssten. Viele Menschen haben noch nicht einmal gelernt, abstrakte Bilder (Kunstwerke) zu verstehen (und lehnen sie daher als »Unsinn« ab …).
    Unsere zwischenmenschlichen Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten sind somit aufs Ärgste eingeengt; eine unerfreuliche Perspektive! Und doch gibt es Licht am Horizont, wie der nächste Beitrag beschreibt.

    4.3 Die Krücke für das fehlende Organ

    Wir haben keinen biologischen Mechanismus, der es uns gestattet, auf Wunsch Bilder (färbige, bewegte, konkrete oder abstrakte) spontan und unmittelbar so zu produzieren, dass sie von anderen Menschen gesehen und verstanden werden.
    Das Fehlen dieses Organs behindert die Informationsweitergabe von Mensch zu Mensch dramatisch. Es ist aber nicht einzusehen, dass sich die Menschheit für immer mit dem Fehlen dieses Organs abfinden muss. Da es uns gelungen ist, das Fehlen von Flügeln durch Flugzeuge, das Fehlen von biologischen Grabvorrichtungen durch Bagger und Tunnelbohrmaschinen und das Fehlen von Kiemen durch SCUBA-Geräte und Unterseeboote weitgehend zu kompensieren (um nur einige Beispiele zu nennen), warum soll es uns nicht auch gelingen, das

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