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Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten

Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten

Titel: Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Maurer
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hatte das Verhalten von Ala’ufoa also völlig falsch interpretiert; es war zu einem schweren Kommunikationsmissverständnis gekommen! Wie schwer es ist, sogar Menschen aus dem eigenen Kulturkreis zu verstehen, ist schon im Beitrag 5.1: »Ich verstehe Deutsch nicht« thematisiert. Lesenswert ist in diesem Zusammenhang auch das Buch von Paul Watzlawick, »Wie wirklich ist die Wirklichkeit?« (Serie Piper, Band 174, München 1981), das viele klassische Beispiele enthält, die belegen, wie schwerwiegende Probleme durch das Missverstehen der Aktionen anderer Menschen entstehen können.
    Ein solches, besonders amüsantes/typisches Beispiel aus dem zitierten Buch fasse ich hier zur Ergänzung kurz zusammen.
    Nach dem Zweiten Weltkrieg waren viele amerikanische Soldaten in England stationiert. Bei Treffen dieser Soldaten mit englischen Mädchen gab es immer wieder eigentümliche Probleme, die beide Seiten nie verstanden. Eine Analyse des »Anbahnungsverhaltens« erklärt aber deutlich, was geschah. Sowohl Amerikaner als auch Engländer haben etwa 25 »Stufen« bei dem Aufbau einer Liebesbeziehung. Die Stufen sind ähnlich und enthalten Verhaltensweisen wie: zu einem Kaffee einladen, gemeinsam zum Mittagessen gehen, einen Film zusammen ansehen, zum Abendessen ausführen, Geschenke überreichen, Kuss auf die Wange, Händchenhalten, Kuss auf den Mund, den Partner Freunden vorstellen, eine Nacht gemeinsam verbringen usw.
    Allerdings ist die Reihenfolge der erwarteten Verhaltensweisen sehr verschieden. Zum Beispiel rangiert Küssen bei den Amerikanern an Stelle 5 (d. h. gilt als »ganz harmlos« und fällt in die Anfangsphase einer Beziehungsanbahnung), während Küssen bei den Engländern erst an 18. Stelle rangiert (d. h. in der Schlussphase einer Beziehungsanbahnung, knapp bevor es zu weitergehenden Intimitäten kommt).
    Damit ergab sich immer wieder die folgende groteske Situation: Ein Amerikaner, der oberflächlich und erst relativ kurz mit einer Engländerin flirtet, küsst diese. Für die Engländerin – die noch viele potenzielle weitere Anbahnungsstufen erwartet – ist dies ein Schock. Sie empfindet den Amerikaner als überaus aggressiv und forsch. Wie immer sie nun (nach ihrer Wertskala) reagiert, ist falsch. Zieht sie sich zurück, weil sie die »Aggressivität« des Amerikaners ablehnt, ist dieser über die »Kälte« und »Unnahbarkeit« der Engländerin verwundert; beschließt sie aber, den Kuss »zu akzeptieren« und ist nun mehr oder minder bereit alles mitzumachen, ist der Amerikaner über die »draufgängerische«, ja »schamlose« Art der Engländerin zutiefst überrascht …
    Die Moral aus der Geschichte: Wir müssen immer damit rechnen, missverstanden zu werden und etwas falsch zu verstehen. Wir sollten daher nie voreilig handeln, sondern uns, wo immer es geht, vergewissern, ob es auch wirklich »so gemeint war, wie es bei uns ankam«.
    Jemand hat einmal gesagt: »The biggest barrier between the US and Great Britain is their common language.« Ich möchte das fast noch verallgemeinern: Eine gemeinsame Sprache ist oft nicht eine Hilfe, sondern ein Hindernis!
    Was ich damit meine, ist dieses: Wenn ich mit einem Österreicher oder einer Österreicherin rede, dann gehe ich (weil wir dieselbe Sprache verwenden) davon aus, dass ich verstehe, was die andere Person meint und umgekehrt; aber dies ist ein oft schwerwiegender Irrtum. Verschiedene Herkunft, Ausbildung, Alter usw. können leicht zu Fehlinterpretationen führen. Unterhalte ich mich hingegen mit jemandem aus zum Beispiel Finnland auf Englisch, ist uns beiden bewusst, dass wir nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen dürfen (wir beide beherrschen Englisch nicht perfekt!), und wir werden daher im Zweifelsfall klärende Fragen stellen.

    Anmerkung von Peter Lechner:
    Ich habe keine Erfahrung mit englischen oder amerikanischen Damen (woher weiß Hermann das mit den 25 Stufen eigentlich?), aber nach dem, was ich in Filmen sehe, dürften diese 25 Stufen sehr niedrig sein: meist werden sie auf einmal genommen!

4 SCHRIFT
    4.1 Wann lernt der letzte
    Schüler schreiben?

    Über Generationen hinweg haben Schüler gelernt, wie man mit Zahlen rechnet (oft noch mit Sonderregeln für »Einservorteil«, »Multiplizieren oder Dividieren mit 25«), haben gelernt – zumindest in den Mittelschulen –, wie man eine »Quadratwurzel« zieht, eine »Logarithmentabelle« verwendet usw. Fast alles davon ist heute aus dem Schulunterricht verschwunden, weil man all dies mit

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