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Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten

Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten

Titel: Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Maurer
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Tieres oder eines Kleidungsstückes (das zum Beispiel als Handschuh den Körper eines anderen Menschen bedeckt) als Kuss anzusehen; dies wurde in Hunderten (!) Veröffentlichungen immer wieder als »Fehler« der Definition angeprangert. Ich persönlich finde das aber eigentlich ganz akzeptabel. Berühmt-berüchtigt wurde Küß durch seine Klassifikation der Küsse, die ich (aus Umfangs- und Jugendschutzgründen) nur sehr verkürzt erläutere:
    Zunächst gibt es zwei große Fallunterscheidungen:
    1. Küsse zwischen Personen gleichen Geschlechts;
    2. Küsse zwischen verschiedengeschlechtlichen Personen. Ich beschränke mich hier auf die zweite Kategorie, obwohl es interessant ist, die Differenzen in den beiden Kategorien, die Küß aufzeigt, zu studieren, doch sprengt das den Rahmen dieses Beitrags. Aber dass Küß den »politischen Kuss« à la Breschnew (linke Wange – rechte Wange – linke Wange zwischen Parteigenossen) nur in die erste Kategorie gibt und dort den Handkuss ausschließt, sind zwei typische Beispiele für den Unterschied der beiden Arten.
    Nun also zu Kategorie 2, zu den verschiedengeschlechtlichen Küssen. Hier unterscheidet Küß zwischen:
    2.1 Eigentlicher Kuss (Mund berührt Mund) und
    2.2 Uneigentlicher Kuss (Mund berührt anderen Körperteil)
    Bei 2.1 (Eigentlicher Kuss) definiert Küß Dutzende Unterkategorien und Unter-Unterkategorien (Lippenküsse, Zungenküsse, feuchte und trockene Varianten, unidirektional – der eine Partner will nicht so recht – und bidirektional – beide sind angetan – usw. usw.), sodass man die Dissertation von Küß wohl zu Recht manchmal die hohe Schule des Küssens genannt hat, ja Lippwig (1889) sogar vom »deutschen Kamasutra« gesprochen hat.
    Ich finde die Varianten unter 2.2 (Uneigentlicher Kuss, d. h., der Mund berührt einen anderen Körperteil) besonders amüsant. Die Grobklassifizierung nach Küß ist diese:
    2.2.1: Busserl
    2.2.2: Erotische Küsse
    2.2.3: Saugen (leicht!)
    2.2.4: Beißen (zart!)
    2.2.5: Schlecken (nur mit Zunge, lokal begrenzt!), wobei es in jeder Kategorie viele weitere Unterteilungen gibt, die ich nur am Beispiel 2.2.1 (Busserl) näher erläutern will.
    Nach Küß unterscheidet man bei 2.2.1 (Busserl) zum Beispiel zwischen:
    2.2.1.1: Das Freundschaftsbusserl (mit geschlossenen Lippen). Und – man höre und staune! – auch hier gibt es unerhört viele verschiedene Fälle wie »einwangig«, »zweiwangig«, »drei- oder mehrwangig« (in Finnland wird zwischen dem 20.12. und 25.2. ein Freundschaftsbusserl dreimal auf jede Wangenseite platziert; zumindest galt das zu den Zeiten von Küß), »stirnig« usw.
    2.2.1.2: Der Schmatz (charakterisiert durch Feuchtigkeit und Geräuscherregung) … Ich erspare Ihnen die Details.
    2.2.1.3: Das erotisierende Busserl: In diese Kategorie reiht Küß zum Beispiel ein den Handkuss (von Gegnern Küß’ wird dieser eher dem Bereich »Höflichkeitsbusserl« zugeordnet), den Kuss auf die Schulter oder das »flüchtige Busserl« auf zum Beispiel Oberarm oder Kleidausschnitt!
    Interessant ist, dass nach der Definition von Küß ein »gehauchtes Busserl« nicht existiert (ein oft erwähnter Angriffspunkt auf seine Thesen!), dass er aber relativ künstlich auch Begriffe wie »Nebenbei-Busserl«, »Begeisterungs-Busserl«, »Ekstase-Busserl« usw. einführt.
    Die Kategorisierung von Küß wurde von Psychologen immer wieder auch aus anderen Gründen angegriffen:
    1. Küß berücksichtigt nicht, dass die Kussart situationsabhängig ist: »Ein feuchter Kuss nach dem Schwimmen im Meer darf doch nicht gleichgestellt werden mit einem feuchten Kuss in der Wüste«, meint Vorwinkler (1913) sehr bildhaft; er setzt fort: »Auch der Bekleidungszustand des Kussadressaten muss berücksichtigt werden: Ein Kuss auf die Nasenspitze ist sicher weniger spezifisch als ‚Nasenbusserl‘ einzustufen, wenn dies die einzige, zurzeit unbedeckte Körperstelle des Partners ist.«
    2. Vor allem wird Küß vorgeworfen, dass er »Fließübergänge« (wenn zum Beispiel ein Lippenkuss in einen Zungenkuss übergeht) überhaupt nicht berücksichtigt.
    3. Schließlich wird angemerkt, dass Küß das Zeitelement nicht berücksichtigt; zum Beispiel versucht Abermacher (1922) abzuschätzen, ob ein »dreiminütiger Lippenkuss als intensiver einzuschätzen ist als ein flüchtiger Zungenkuss oder umgekehrt«, und schlägt vor, dass Küsse, die länger als zwölf Minuten dauern, nicht mehr als solche zu bezeichnen sind. (Woher die zwölf Minuten

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