Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten
da Studentinnen jedenfalls in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern im Schnitt besser qualifiziert sind als ihre männlichen Kollegen) –, sondern zusätzlich erheblich geringere Ressourcen. Dies gilt insgesamt für den weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland, wie eine Studie im Auftrag des BMBW zeigte. Als Hauptfinanzierungsquelle für Promotionsvorhaben konnten 62 % der Männer Hochschulverträge angeben, aber nur 44 % der ohnehin schon wenigen promovierenden Frauen. Schlimmer noch, von denjenigen, die ihre Promotion mit einer Hochschulstelle finanzieren konnten, haben fast 90 % der Frauen, aber nur 60 % der Männer eine Teilzeitbeschäftigung an der Hochschule gehabt. Der zweite Belastungsfaktor ist die Befristung der Verträge. Nur 15 % der Frauen haben unbefristete Verträge, aber 32 % der Männer. Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer der Frauen unter den Postdoktoranden beträgt 4,6, die der Männer 5,5 Jahre, die durchschnittliche Vertragslänge bei den Frauen 2,7, bei den Männern 3,8 Jahre. Selbst für kürzere Beschäftigungszeiten mussten die Frauen also mehr Verträge als die Männer abschließen, d. h. aber auch, immer wieder das Arbeitsvorhaben unterbrechen und Sorge über dessen Weiterführung haben. Frau sieht also, dass von Gleichberechtigung in der Wissenschaft, dieser angeblich objektivsten Institution, jedenfalls in Deutschland – darf frau auch auf Österreich schließen? – nicht die Rede sein kann.
Da jedoch fast alle Entscheidungsträger subjektiv ein reines Gewissen haben, kann es sich nur um unbewusste Vorgänge handeln. Tatsächlich werden Frauen weniger nach ihren Leistungen beurteilt denn ob ihres »Äußeren« und ihrer »Nettigkeit«; man hört ihnen weniger zu als Männern, man »denkt nicht an eine Frau« im Zusammenhang mit hohen Qualifikationen.
Außerdem werden fachunabhängige Qualifikationen, die meist ebenso wichtig sind wie die fachlichen, mit der Geschlechtsrolle assoziiert. Für Führungspositionen werden männlich konnotierte Eigenschaften wie Durchsetzungsvermögen, Ehrgeiz, Karrierebewusstsein, Standvermögen usw. verlangt, die scheinbar im Gegensatz zur weiblichen Geschlechtsrolle stehen. Von Frauen verlangt man Anpassungsfähigkeit, Bescheidenheit, Ausgleichsvermögen, Verbreitung eines angenehmen Klimas, lauter Eigenschaften, die auch einer Führungskraft gut anstehen würden, aber nicht von ihr verlangt werden. Eine Durchsicht der Stellenangebote zeigt dies deutlich.
Aus dem Gesagten folgt, dass, wenn man der Aufforderung des Artikels »Frauen in alle Gremien?« folgt, sich nie etwas ändern wird oder gar weiter zum Schlechteren für die Frauen. Dies deutet sich, jedenfalls im Berufsfeld der Informations- und Kommunikationstechnik, als Folge des sozialen Klimas im koedukativen Schulunterricht in diesen Fächern bereits deutlich an. Daher ist Frauenförderung notwendig. In welcher Form, darüber lässt sich streiten. Quotierungen sind ein Reizwort, aber es gibt sie – für Männer: Der Richterberuf in Deutschland müsste größtenteils von Frauen ausgeübt werden, wenn es nach Qualifikationen ginge. Da dies als nicht akzeptabel angesehen wird, hat man die Notenanforderungen für Frauen erheblich gegenüber Männern angehoben. Ebenfalls bei der LVA waren die besseren Zeugnisse der Frauen das Problem. 82 % Frauen und nur 18 % Männer bewarben sich, deshalb sollten die Durchschnittsnoten der Frauen 2,2 betragen, die der Männer nur 3,2 (vgl. Bolle, Strümpel, 1987). Aus Aachen ist mir bekannt, dass in den Verwaltungen (zum Beispiel Stadterwaltung) nur noch Frauen einzustellen wären, ginge es nach Qualifikation. Aber Männer sollen Familien ernähren, Frauen mit Familie brauchen keine Stelle, so die Argumente der »Stadtväter«, die Männer den nachweisbar qualifizierteren Frauen vorzuziehen. In Bulgarien sind 70 % der Technikstudenten weiblich. Da man die »Feminisierung der Intelligentia« befürchtet, sollen die Frauenanteile in allen Studiengängen auf 50 % beschränkt werden und dies, obwohl auch dort gut dotierte Stellen und Führungspositionen trotzdem weitgehend den Männern vorbehalten sind.
Aus den USA ist bekannt, dass überall dort, wo – als Folge des Gleichstellungsgesetzes – der Frauenanteil in einem Beruf sich 20–25 % nähert, Männer sich sehr heftig und mit allen verfügbaren Mitteln gegen einen weiteren Anstieg wehren. Dies liegt vermutlich daran, dass ein hoher Frauenanteil zu einer Entwertung des
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