Xperten - Der Paradoppelgänger
Dorint-Biedermeier, wo er ein schönes Apartment hat und wo er ganz in der Nähe seiner inzwischen in Wien verheirateten Schwester ist. Untertags sitzt er aber in der Nationalbibliothek und versucht in verschiedensten Quellen über eigentümliche Vorkommnisse in der Vergangenheit nachzulesen. In ihm entsteht allmählich ein vager, fast ungeheuerlicher Verdacht. Aber er wird mehr recherchieren müssen und so gut die Bibliothek ist, es dauert oft Tage, bis man ein altes Buch aus den Archiven bekommt.
Er vermeidet peinlich den Einsatz seiner T-Kraft, aber als er einmal ein Auto sieht, das im Begriff ist, ein spielendes Kleinkind beim Rückwärtseinparken zu überrollen, bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Kind mit seinen Pseudohänden wegzureißen. Die Mutter, die mit Entsetzen das Unglück auf ihr Baby zukommen sah, versteht nicht, wieso dieses plötzlich durch die Luft fliegt und sanft am Gehsteig landet. Marcus hat aber unnotwendig Angst, dass seine Begabung wieder entdeckt und er wieder verfolgt wird. Die Frau wagt niemandem von der Geschichte zu erzählen: Niemand würde sie glauben. Marcus ahnt nicht, dass diese Frau ab sofort auf ihre Stamperl Schnaps am Nachmittag verzichten wird!
Als er am Nachmittag in sein Hotel zurückkehrt um sich für ein vornehmes Abendessen mit seiner Schwester und ihrem Mann im Palais Schwarzenberg fertig zu machen, klingelt das Telefon. »Hallo, Marcus«, sagt eine Stimme, die vertraut klingt und die er doch nicht sofort einordnen kann.
»Hier spricht Monika, seinerzeit aus Las Vegas, erinnerst du dich noch?«
Marcus atmet tief durch: »Monika, wo bist du, wie hast du mich gefunden, was ist los?«, sprudelt Marcus.
Monika lacht. »Ich erzähle dir alles und ich habe mindestens eine erfreuliche Überraschung für dich. Aber ich möchte dich erpressen. Du hast mir seinerzeit immer von den Bergen in Österreich erzählt. Ich möchte, dass du mit mir eine leichte Bergwanderung machst. Ich bin in 30 Minuten bei dir im Hotel, und dann fahren wir los. Morgen Abend bist du wieder zurück, mich los und wirst einiges Interessantes erfahren haben. Du suchst eine einfache und nette Wanderung aus. Wir fahren jetzt zum Ausgangspunkt, ich möchte einmal einen Abend in den Bergen erleben.«
»Monika, du bist verrückt. Ich bin für heute schon verabredet ...«
»Tut mir Leid, Marcus. Ich bin für dich aus den USA hergeflogen, nur für dich, da kannst du schon auch absagen, was immer du vorhast. Entweder du sagst jetzt sofort zu oder du hörst nie mehr von mir und es entgeht dir dann einiges«, pokert Monika.
»Okay, in 30 Minuten in der Lobby.«
»Prima«, freut sich Monika, »übrigens nur noch eine Warnung: Nimm dir für morgen Abend nichts vor. Es wartet noch jemand hier, der dich morgen Abend sehen will. Alles andere erfährst du in Kürze.« Monika legt auf.
Marcus ist so verwirrt, dass er seine Subjektivzeit durch seine Para-Begabung beschleunigt, um sich alles genauer überlegen zu können: Was gibt es jetzt zu tun? Zuerst muss er seiner Schwester absagen und das wird lästig. Er wird das Essen im Wintergarten des Palais Schwarzenberg auf übermorgen Abend verschieben, vorsichtshalber, und gleich noch einen Strauß Blumen mit einer Entschuldigung schicken lassen.
Wohin soll er mit Monika? Die einfachen Wege in den Wiener Hausbergen, vor allem der Rax, sind sehr überlaufen, die schönen Klettersteige wie »Wildfährte« oder »Haidsteig« sind aber zu schwierig. In seine geliebten Eisenerzer Berge traut er sich nicht, da ist er doch zu bekannt. Zur Edelraute Hütte und am nächsten Tag auf den Bösenstein? Vielleicht auch ein bisschen zu felsig für Monika und für ihn: er hat ja nicht einmal richtige Bergschuhe mit! Weiter nach Norden, etwa zur Pühringer-Hütte an den herrlichen Lahngangseen vorbei oder auf die leichtere Tauplitz zum romantischen Steierersee?
Das Wetter im Norden der Steiermark klingt verdächtig. Also dann einen leichten, aber schönen Berg im Süden. Der Hochobir, das ist es! Sie können heute noch bis Eisenkappel fahren, dann in aller Früh die spektakuläre Straße hinauf zur Eisenkappeler-Hütte und von da zu Fuß in zwei Stunden auf leichtem Weg auf den Hochobir. Die letzten paar hundert Meter sind dort auch hochalpin, schroffe Abhänge nach Norden und Nordwesten, und ein herrlicher Ausblick. Und das kann man ohne Rucksack, nur mit einem Regenschutz, etwas zu trinken und mit normalen Wanderschuhen gehen. Marcus lässt sich in Normalzeit zurückfallen,
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