Xperten - Der Paradoppelgänger
später auf ihrem Zimmer sind. Zuletzt wissen sie selbst nicht so recht, was über sie gekommen ist. Aber sie umarmen sich noch einmal liebevoll, als Monika fast gegen ihre Gefühle Robert nach Hause schickt und sagt:
»Deine Familie wartet«, und fügt noch etwas hinzu, das viel später große Auswirkungen haben wird. »Nur für deinen Chef, für Marcus, würde ich noch mehr, viel mehr, tun als für dich, Robert.« Dieser fährt, noch immer verwirrt, nach Hause. Wie ist das alles geschehen, hat er geträumt? Und der letzte Halbsatz geht ihm nicht aus dem Kopf. Es ist das erste Mal, dass er Marcus nicht bewundert, sondern Ressentiments gegen ihn spürt.
Am nächsten Tag benimmt sich Monika, als wäre nichts geschehen. Sie und Sandra stürzen sich in Reisevorbereitungen und fliegen am Tag darauf nach Frankfurt, ohne dass Robert auch nur ein einziges Mal hätte alleine mit Monika reden können.
»Vielleicht ist es auch besser so«, denkt er, »ich sollte gestern als einmalige Laune von Monika verstehen und den Vorfall vergessen.« Das Problem ist: Er kann und wird alles vergessen, aber den letzten Halbsatz von Monika nicht.
Barry hat die Zeit mit Hannelore genossen. Wohnte er anfangs in Baden-Baden im Romantik-Hotel »Kleiner Prinz«, das nach dem Roman von Saint-Exupéry dekoriert ist, sah er nach zwei Nächten keinen Grund mehr, nicht in die Prachtvilla von Hannelores Eltern am Rande von Baden-Baden zu übersiedeln. Dort standen stets mehr als ein Dutzend Zimmer für Gäste bereit. Es war ein ständiges Kommen und Gehen, man traf immer wieder neue, interessante Menschen und konnte sich völlig frei im Haus bewegen. Nur der Gong am Abend rief alle immer für ein fürstliches Mahl zusammen. Hannelore war eine entzückende Entdeckung, die er als deutsche Touristin in Rio völlig unterschätzt hatte. Nachdem er am ersten Abend im Elternhaus einen »Gute-Nacht-Kuss« in seinem Zimmer eingefordert hatte und sie dann auch tatsächlich zu ihm hereingehuscht war, hatte sich aus anfänglichem harmlosem Kuscheln eine wachsende Vertrautheit entwickelt. Und als sie das erste Mal »wirklich« miteinander schliefen, war es so natürlich und einfach, dass es sie beide überwältigte. Dass es Para-Barry war, der mit Hannelore schlief, wusste sie natürlich nicht, doch war diese hygienische Vorsichtsmaßnahme inzwischen für Barry fast eine Selbstverständlichkeit geworden.
Hannelore ritt wie eine Göttin, war im Kupfersaal des Casinos so zu Hause wie auf einer intimen Nachtwanderung zu zweit mit Fackeln zum Hutzenbacher See, ein Erlebnis, das Barry im doch sehr erschlossenen Schwarzwald nicht erwartet hatte. Als sie gegen Mitternacht beim See ankamen, tauchten sie ohne zu zögern in das moorige Wasser, das sich wärmer als die Luft draußen anfühlte, schlüpften dann, noch feucht, zusammen in den Schlafsack und erzählten sich zwischen vielen Umarmungen und was ihnen sonst einfiel aus ihren Leben. Die Nacht war kurz, denn als der Himmel hell wurde, weckte Hannelore Barry gegen seinen Willen auf. Sie sorgte mit Kaffee aus einer Thermosflasche und ihrem Körper, dass er schnell hellwach wurde. Dann lagen sie nebeneinander und beobachteten zwischen weichen Küssen die verblassenden Sterne und den Morgenwind in den Bäumen, der plötzlich die Vögeln aufzuwecken schien. Sie waren schon lange in die Ortschaft hinunter unterwegs, als sie die ersten Menschen trafen. Sie lösten Verwunderung aus, als sie als Nicht-Hausgäste zum Frühstück im Schloss Eberstein einkehrten. Hannelore schlug Barry beim Schachspiel und beim Tennis. Sie war eine gutmütige, aber überlegene Bridgepartnerin. Sie tanzte zu gut für Barry, dass er fast Komplexe bekam. Sie zeigte ihm das Schloss in Karlsruhe, die Residenz in Rastatt, das Kloster in Maulbronn, das Barry aus Hermann Hesses Romanen kannte, aber sie fuhren auch weiter, etwa nach Zürich, wo sie in der kühlen Limnat schwammen (nur bei dieser Sportart war Barry eindeutig besser als Hannelore). Sie und ihre Eltern freuten sich, als er sie auf ein großes Essen im berühmten »Erbprinzen« in Ettlingen ausführte.
Aus geplanten einigen Tagen wurden Wochen. Hätte Hannelore nicht ihr Medizinstudium in Heidelberg fortsetzen müssen, dann wären sie wohl noch länger zusammengeblieben. Unter tausenden Studenten kam sich Barry aber auf einmal entbehrlich vor und wurde rastlos. So trennen sie sich, beide bestürzt, wie sie zusammengewachsen waren und wie leicht jetzt, im Heidelberger Trubel, doch der
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