Yeager
Stangen und Draht und Isolationsballen aufgestapelt, so daß der ganze riesige Raum zu einem Irrgarten wurde. Bet lehnte sich an die Tür, sah nach rechts und nach links und lauschte, ob sich ein Geräusch von dem Hintergrundrauschen abhob, das auf einem kleinen Schiff alles maskiert.
»NG?« rief sie laut genug, daß er es hören konnte, falls er vor ihr eingetreten war und nur nicht gemerkt hatte, daß jemand die mit einer Handklinke versehene Tür geöffnet hatte.
Kein Laut. Aber bei NG war das nichts Ungewöhnliches.
Bet wurde plötzlich ganz unheimlich zumute. Sie spürte die Kälte hier im Lager, ihr Atem dampfte in dem trüben Licht. Sie rieb sich die Arme und schlug sie übereinander, und sie wünschte, sie hätte einen Pullover unter dem Jumpsuit an.
Gott, der Mann möchte in einem Gefrierraum mit mir schlafen!
Wenn es tatsächlich das ist, was er will,
dachte sie dann, und der Magen wollte sich ihr umdrehen. Denn ein Mann, der kurz vor dem Überschnappen war, konnte durchaus verrückter sein, als alle glaubten, konnte hier irgendwo mit einem Messer oder sonst etwas warten, besessen von der Idee, sie bedränge ihn…
Was, zum Teufel, tue ich in diesem Loch? Dazu bin ich doch zu vernünftig. Dazu bin ich immer zu vernünftig gewesen.
Ich kann auf mich selbst aufpassen. Und das heißt, ich sollte schleunigst hier verschwinden und in die Unterkunft zurückkehren. Später sage ich ihm dann einfach, ich hätte ihn nicht finden können…
Und das wird er mir natürlich nicht glauben. Und dann bekomme ich Ärger mit ihm.
Du hast die Aufmerksamkeit eines Irren auf dich gezogen, und damit hast du dir ewigen Ärger eingehandelt. Das hast du getan, Bet Yeager. Du hättest es besser wissen müssen, du warst für so etwas schon zu klug, als du acht Jahre alt warst…
Sie sollte in die Unterkunft zurückkehren, einfach zu Bett gehen,
nicht
mit McKenzie, nicht mit sonstwem, heute nicht und vielleicht noch viele Nächte nicht. Sie sollte nur ihre Gedanken in Ordnung bringen und sich vielleicht einiges zurechtlegen.
Sie hatte in dieser Crew bereits zwei Probleme, drei, wenn sie Fitch mitrechnete, und das Klügste, was sie jetzt tun konnte, das Klügste, was sie gleich hätte tun sollen, war, jede Verbindung zu NG Ramey abzubrechen, sich mit allen gut zu stellen und sich einer kompatiblen Gruppe anzuschließen, zu der auch eine Frau gehörte. Verdammt, sie brauchte Freunde ebenso wie Bettgefährten, und die weiblichen Mitglieder der Crew benahmen sich im Augenblick mehr als zurückhaltend. Bet empfing feindselige Signale, alle von Frauen, als mache sie etwas ganz und gar verkehrt oder als überschreite sie Grenzen, von denen sie nicht einmal wußte, daß sie existierten – und sie war sich immer weniger sicher, daß sie überhaupt etwas
richtig
machte.
Sie war nur noch zwei Schritte davon entfernt, sich vor dieser Crew zu fürchten, wenn sie die konfusen Signale bedachte, die sie von McKenzie empfing. Die Frauen fand sie auf die gleiche Art beängstigend wie Stationsleute, und die gleiche Unsicherheit hatte sie manchmal auf der
Ernestine
befallen, als begehe sie unwissentlich einen Fehler nach dem anderen, und die Leute steckten die Köpfe zusammen und tuschelten hinter ihrem Rükken: Seht sie euch an, seht nur, wie sie dies oder das getan hat – so machen es Zivilisten nicht.
Sie bemühte sich sehr, sich an das Benehmen von Zivilisten zu erinnern. Sie versuchte, sich richtig zu verhalten. Sie war sechzehn gewesen, als sie sich freiwillig auf der
Afrika
meldete, doch sie hatte nur noch wenige Erinnerungen an das, was davor gewesen war. Sie konnte sich nicht einmal mehr das Gesicht ihrer Mama deutlich vor Augen rufen, nur die Wohnung, wo sie jeden Abend die Betten herunterließen, um zu schlafen, und sie morgens hochzogen, damit sie umhergehen konnten. Alles war so beengt, und Mamas Kleider hingen an der einen Wand entlang und lagen überall auf dem Deck – da waren nur die schäbigen Metall-Korridore des Raffinerie-Schiffes Nummer zwei von Pan-paris und die Löcher, in denen sie sich herumtrieb – , ihre Mama versuchte, mit einem Kind fertigzuwerden, das sich nicht zurechtfand, das dauernd in Schwierigkeiten war – die Leute änderten immer zwei- oder dreimal ihre Meinung, erließen Vorschriften, die nicht angeschlagen wurden, und davon gab es wieder Ausnahmen, die sie einem nicht mitteilten.
Aber Marna hätte es leichter gehabt, wenn sie sie von Anfang an über die Vorschriften informiert hätte. Und Mama
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