Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
Vorahnung überkam mich.
„Für Valek hat Janco übrigens einen Fuchs geschnitzt und für mich ein Pferd“, erzählte Ari weiter. „Etwas Schöneres haben wir noch nie besessen. Dabei gehören wir gar nicht zu seiner Einheit.“ Grinsend fügte er hinzu: „Ansonsten ist nicht viel passiert, seitdem du weg bist.“
Wir unterhielten uns, bis Ari und Janco die Botschafterin in ihre Suite begleiten mussten. Sie erzählten mir, dass sie einander ablösten, um Signe und Ilom zu bewachen, und dass wir uns bald wiedertreffen könnten. Ich bot ihnen an, sie durch die Zitadelle und vielleicht auch noch durch den Bergfried zu führen.
Beim Verlassen der Großen Versammlungshalle stieß Irys zu mir, und gemeinsam gingen wir durch die Straßen der Zitadelle zu der Besprechung, bei der wir darüber diskutieren wollten, wie am besten vorzugehen sei, um Opal zu finden. Meine allgegenwärtigen Wächter, die sich während der Begrüßungszeremonie diskret im Hintergrund gehalten hatten, folgten uns.
„Janco sieht großartig aus“, sagte Irys. „Er hat sich schnell von seiner schweren Verletzung erholt. Das freut mich sehr.“
Irys’ Worte erinnerten mich an eine Bemerkung des Geschichtenwebers. Wegen der Aufregung um Opal und die Ankunft der Delegation hatte ich noch nicht mit ihr über die Forderungen von Mondmann sprechen können.
„Irys, was ist ein Seelenfinder? Mein …“
Sprich das Wort nie mehr laut aus , ermahnte Irys’ Stimme mich in meinen Gedanken. Niemand darf etwas davon mitbekommen.
Warum nicht? Warum haben alle Angst davor? Ich tastete nach Valeks Reif und drehte ihn um meinen Arm.
Sie seufzte. Die Geschichte von Sitia ist voll von wunderbaren und mutigen Zauberern, die die Clans vereinigt und die Kriege beendet haben. Leider wird darüber so gut wie nie in der Öffentlichkeit gesprochen, und auch die Kinder wissen kaum etwas davon. Nur die Geschichten von den wenigen Zauberern, die Unheil angerichtet haben, machen die Runde am Kamin. Nach Mogkans Verbrechen und vor allem jetzt, wo dieses Monster Opal in seiner Gewalt hat, möchte ich nicht, dass Gerüchte und Erzählungen über Seelenfinder die Runde machen.
Irys spielte mit den braunen Federn ihrer Habichtsmaske. Vor etwa hundertfünfzig Jahren wurde ein Seelenfinder geboren. Man sah in ihm ein Geschenk aus der Unterwelt. Mit seinen starken magischen Kräften beeinflusste er nicht nur das Bewusstsein der Menschen, sondern er konnte auch körperliche und seelische Schmerzen heilen. Eines Tages entdeckte er, dass er in der Lage war, eine Seele aus der Luft zu ergreifen, ehe sie in den Himmel schwebte, und er somit den Toten aufwecken konnte.
Doch dann ist irgendetwas passiert. Wir wissen nicht genau, was, aber er wurde verbittert, half den Menschen nicht mehr, sondern benutzte sie. Er behielt die Seelen für sich und erweckte die Toten ohne ihre Seele. Diese gefühlslosen Wesen gehorchten seinen Befehlen und verspürten nicht die geringste Reue über das, was sie taten. Diese Fähigkeit ist eine eklatante Fehlentwicklung und widerspricht unserem Ehrenkodex. Mit seiner seelenlosen Armee hatte er Sitia viele dunkle Jahre in seiner Gewalt, bevor es den Meister-Magiern gelang, ihm Einhalt zu gebieten.
Ehe ich mich nach Einzelheiten erkundigen konnte, fuhr Irys mit ihrer Erzählung fort: Yelena, du hast alle Fähigkeiten einer Seelenfinderin. Als du für Tula geatmet hast, war ich zutiefst schockiert, und du hast Roze in Alarmzustand versetzt. Deshalb war ich so streng mit dir, als du deinen Wächtern entwischt bist. Ich musste Roze doch beweisen, dass ich dich unter Kontrolle habe. Aber heute habe ich bemerkt, dass das falsch war. Es war vermutlich die gleiche panische Reaktion, die den Seelenfinder zu seinen unheilvollen Aktionen bewogen hat. Wir müssen zuerst das Ausmaß deiner Fähigkeiten herausfinden, bevor wir deinen Rang benennen können. Wer weiß, vielleicht bist du sogar eine Meister-Magierin.
Ich musste lachen, als ich daran dachte, wie leicht es Irys gefallen war, mich in eine Falle zu locken und meine magischen Mauern zu durchbrechen. „Äußerst zweifelhaft“, erwiderte ich. Und ebenso zweifelhaft war Mondmanns Behauptung, ich sei eine Seelenfinderin. Tulas Seele war gestohlen worden. Ich konnte zwar für sie atmen, aber ohne ihre Seele war ich außerstande, sie zum Leben zu erwecken. Vielleicht verfügte ich über einige wenige Eigenschaften eines Seelenfinders, aber ganz gewiss nicht über alle.
Während wir uns dem Eingang des
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