Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
sich halb von seinem Stuhl, setzte sich aber sofort wieder hin, als der Reiter ihn am Ärmel berührte.
„Das war nicht nötig, Goel“, sagte der Reiter scharf. „Warte draußen.“
„Sie hat unerlaubt geredet.“
„Wenn sie nicht den nötigen Respekt zeigt, kannst du ihr Manieren beibringen. Und jetzt verschwinde“, befahl der Reiter forsch.
Wieder erhob ich mich schwerfällig. Goel verschwand, aber die beiden anderen Wächter blieben an der Tür stehen. Inzwischen war ich mit meiner Geduld am Ende. Wenn ich schnell genug handelte, könnte ich das Kettenende, das zwischen meinen Handgelenken hing, um den Hals des Reiters schlingen.
Während ich noch die Entfernung zwischen uns beiden abschätzte, sagte der Reiter: „Ich an deiner Stelle würde keine Dummheiten versuchen.“ Er hob ein langes, breites Schwert, das auf seinem Schoß lag.
„Wer zum Teufel bist du und was willst du von mir?“, fragte ich wütend.
„Hüte deine Zunge, oder ich rufe Goel zurück“, antwortete er grinsend.
„Nur zu, ruf ihn zurück. Nimm meine Fesseln ab und lass uns einen fairen Kampf austragen.“ Als er nicht antwortete, fügte ich hinzu: „Wahrscheinlich hast du Angst, dass ich gewinne. Das ist typisch für Leute, die im Hinterhalt warten.“
Er warf Leif einen erstaunten Blick zu. Leif schaute besorgt zurück, und ich fragte mich, was zwischen den beiden vorgehen mochte. Waren sie Freunde oder Feinde?
„Von ihrem Mut hast du mir kein Wort erzählt. Natürlich“, wandte er sich wieder an mich, „könnte der auch nur vorgetäuscht sein.“
„Stell mich auf die Probe“, forderte ich ihn auf.
Der Reiter lachte. Trotz seines blonden Schnurr- und Kinnbarts sah er jünger aus als ich. Siebzehn oder achtzehn Jahre alt vielleicht. Seine Augen waren blassblau, und sein schulterlanges Haar hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er trug eine einfache graue Tunika. Selbst aus der Entfernung konnte ich erkennen, dass sein Hemd aus feinerem Material gewebt war als die Kleidung der Wächter.
„Was willst du?“, wiederholte ich meine Frage.
„Informationen.“
Die Antwort verblüffte mich, und ich starrte ihn verdutzt an.
„Ich bitte dich“, sagte er. „Spiel mir nicht die Ahnungslose vor. Ich will Fakten über das Militär von Ixia hören. Truppenstärke und Standorte. Stärken. Schwächen. Die Anzahl der Waffen. Wo Valek sich genau aufhält. Wer und wo seine anderen Spione sind. Diese Art von Informationen.“
„Warum glaubst du, dass ich all das weiß?“
Er schaute Leif an, und plötzlich ging mir ein Licht auf. „Du hältst mich für eine Spionin aus dem Norden“, seufzte ich. Leif hatte mich in die Falle gelockt. Deshalb wusste der Reiter, dass Leif mein Bruder war. Sein Entsetzen und seine Angst beim Überfall waren nur gespielt. Er musste gar nicht zum Ersten Magier gehen. Nun wunderte ich mich nicht mehr, warum er stumm geblieben war, seit ich das Zelt betreten hatte.
„Na gut, da alle glauben, dass ich eine Spionin bin, sollte ich mich wohl auch wie eine verhalten.“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust und nahm eine abwehrende Haltung ein. Das Klirren der Fesseln beeinträchtigte diesen Eindruck zwar, aber ich beschloss, mich nicht einschüchtern zu lassen. „Ich erzähle euch Mistkerlen aus dem Süden überhaupt nichts.“
„Dir wird nichts anderes übrig bleiben.“
„Das werden wir ja sehen.“ Er sollte bloß glauben, dass ich ihm die Antworten geben würde, die er von mir hören wollte. Abgesehen davon kannte ich sie ja selber nicht. Hätte er allerdings die Lieblingsspeise des Commanders erfahren wollen, wäre ich ihm gern zu Diensten gewesen.
„Ich könnte Goel die Auskünfte aus dir herausprügeln lassen“, drohte er. „Es würde ihm sehr viel Spaß machen. Aber das ist eine ziemlich blutige und zeitaufwändige Angelegenheit. Außerdem halte ich nicht viel von Auskünften, die unter Druck preisgegeben werden.“
Der Reiter erhob sich von seinem Stuhl, ging um den Tisch herum und kam auf mich zu. Mit der rechten Hand umklammerte er sein Schwert und versuchte, einschüchternd zu wirken. Er war etwa fünfzehn Zentimeter größer als ich, und seine dunkelgrauen Hosen steckten in kniehohen, schwarzen Lederstiefeln.
„Du bist diejenige, die überrascht sein wird, weil ich dich zum Bergfried der Magier bringen werde. Dort wird die Erste Magierin deinen Geist wie eine Banane schälen und den weichen Kern freilegen, wo sämtliche Antworten liegen. Dein Gehirn wird
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