Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
hätte aber gern gewusst, wie er dazu kam. „Warum bringst du mir das Reiten bei? Hast du nicht genug damit zu tun, den Thron von Ixia zurückzuerobern?“
Da er wusste, was ich von seinen Eroberungsplänen hielt, musterte er mich durchdringend und suchte nach Anzeichen von Sarkasmus in meiner Miene.
„Ehe ich nicht die volle Unterstützung des Rats von Sitia habe, kann ich gar nichts machen“, erklärte er. „Außerdem brauche ich Geld, um das Unternehmen zu finanzieren. Bis es soweit ist, arbeiten meine Leute als Wächter oder Gärtner im Bergfried, je nachdem, wo gerade Not am Mann ist.“ Er wischte die Hände an seinen Hosen ab und betrachtete die Pferde auf der Weide. „Eigentlich ist die Chance, bei den Bewohnern im Bergfried auf offene Ohren zu stoßen, während der heißen Jahreszeit am größten, weil sie dann nichts zu tun haben. Ich hab’s auch diesmal wieder versucht, aber kein Glück gehabt. Also muss ich weiterarbeiten und die Versammlung bei nächster Gelegenheit erneut darum bitten, mein Anliegen auf die Tagesordnung zu setzen.“ Nachdenklich wiegte er den Kopf. „Also dann bis morgen, ja?“
„In Ordnung.“ Ich sah Cahil nach, als er zum Stall ging. Er hatte so sehr darauf gehofft, eine Spionin aus Ixia zu enttarnen, um Pluspunkte im Rat zu sammeln. Was würde er wohl als Nächstes tun?
Kiki stupste mich am Arm, und ich kraulte sie eine Weile hinter den Ohren, bis ich in meine Wohnung zurückging. Im Schreibtisch suchte ich nach einem Blatt Papier, auf das ich ein Pferd skizzierte. Anschließend schrieb ich die Bezeichnungen der Körperteile auf, an die ich mich noch erinnern konnte. Topaz und Kiki halfen mir, wenn ich nicht weiterwusste.
Meine mentale Verbindung zu den beiden Pferden war einerseits seltsam, andererseits aber auch beruhigend. Es kam mir vor, als befänden wir uns alle im selben Zimmer, gingen unterschiedlichen Aufgaben nach, kümmerten uns um unsere eigenen Dinge und hingen unseren jeweiligen Überlegungen nach. Doch wenn einer von uns den anderen „ansprach“, konnten wir es „hören“. Ich brauchte bloß an Kiki zu denken, und mein Bewusstsein war erfüllt von ihren Gedanken. Das Gleiche galt für Irys. Es war nicht nötig, die Kraftquelle anzuzapfen und sie auf Irys zu übertragen. Ich musste nur an sie denken.
In der folgenden Woche liefen meine Tage nach einem gleichbleibenden Muster ab. Morgens lernte ich von Irys so viel wie möglich über Magie, und am Nachmittag, nach einem kurzen Mittagsschlaf, wiederholte ich das Gelernte und arbeitete an meiner Selbstverteidigungstechnik. Die Abende gehörten Cahil und Kiki. Und die ganze Zeit war ich sorgsam darauf bedacht, Goel aus dem Weg zu gehen, denn seine Drohungen klangen mir noch immer im Ohr.
Schon bald, nachdem Irys begonnen hatte, mich in die Geheimnisse der Zauberkunst einzuführen, wollte sie herausfinden, ob ich noch über andere Talente und Fähigkeiten verfügte.
„Lass uns sehen, ob du ein Feuer entfachen kannst“, sagte Irys eines Morgens. „Wenn du jetzt Kraft in dich aufnimmst, möchte ich, dass du dich darauf konzentrierst, diesen Docht zu entzünden.“ Damit stellte sie eine Kerze vor mich hin.
„Wie denn?“, fragte ich und richtete mich auf. Ich hatte es mir auf den Kissen in ihrem Turmzimmer bequem gemacht und dachte an Kiki. Seit einer Woche war ich nicht mehr geritten. Bis jetzt hatte Cahil mir nur beigebracht, wie man sich um Pferde und Sattelzeug kümmert. Was für ein umständlicher Mann!
„Denk an eine einzelne Flamme, bevor du deine Zauberkraft gezielt in eine Richtung lenkst.“ Irys demonstrierte es mir. „Feuer“, sagte sie. Eine Flamme flackerte auf, die Irys sofort wieder ausblies. „Jetzt bist du an der Reihe.“
Ich konzentrierte mich auf den Docht, während ich mir eine Flamme vorstellte. Dann sandte ich meine geballte Energie zur Kerze, doch es passierte nichts.
Ein unterdrückter Laut stieg aus Irys’ Kehle, und die Kerze brannte. „Schickst du deine Energie auch wirklich zur Kerze?“
„Ja. Warum?“
„Weil du mich gerade aufgefordert hast, die Kerze für dich anzuzünden“, erwiderte sie aufgebracht. „Und ich habe es getan, wie du siehst.“
„Ist das schlimm?“
„Nein. Ich hoffe nur, dass du ein Feuer auch auf normalem Weg entzünden kannst, denn bis jetzt scheint es noch nicht zu deinen magischen Fähigkeiten zu gehören. Lass uns etwas anderes versuchen.“
Als Nächstes bemühte ich mich ebenso erfolglos, ein Objekt zu bewegen. Es sei denn,
Weitere Kostenlose Bücher