Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
durchzutrennen, zog ich mich rasch zurück.
Ich legte ihre Hand auf das Bett und schaute Hayes an. „Tut mir leid, aber ich habe meine Magie noch nicht vollkommen unter Kontrolle.“
Er starrte auf Tulas Hand. „Sieh doch.“
Beide Finger schienen geheilt zu sein.
„Wie fühlst du dich?“, wollte er wissen.
Normalerweise wurde ich müde, wenn ich meine magischen Kräfte benutzte, aber ich hatte ja nicht wirklich welche angewandt. Oder vielleicht doch? „Wie immer.“
„Jetzt habe ich gerade drei Knochen geflickt, und schon muss ich mich hinlegen.“ Bekümmert schüttelte Hayes den Kopf. Sein dunkles Haar fiel ihm in die Augen. Ungeduldig schob er die Strähnen beiseite. „Du hast gerade einen Knochen ohne die geringste Anstrengung geheilt. Ein Wink des Schicksals“, sagte er. In seiner Stimme schwangen Ehrfurcht und Angst mit. „Wenn du erst einmal die vollkommene Kontrolle hast, wirst du vielleicht sogar Tote aufwecken können.“
15. KAPITEL
S eine Worte machten mir Angst. Unvermittelt begann ich am ganzen Körper zu zittern. „Nein“, sagte ich zu Hayes. „Ihr müsst Euch irren. Niemand kann die Toten aufwecken.“
Müde und nachdenklich fuhr Hayes sich mit der Hand über die Augen.
„Vielleicht habe ich zu voreilig geurteilt“, räumte er ein. „In unserer Geschichte gab es nur eine Person, die die Toten zum Leben erwecken konnte.“ Er schauderte. „Und das Ergebnis war in der Tat entsetzlich.“
Gerne hätte ich ihn mehr gefragt, aber Hayes behauptete, noch viel zu tun zu haben und eilte zur Tür hinaus.
Eine merkwürdige Unruhe ergriff mich, als ich Tulas reglose Gestalt betrachtete. Durch das Bettlaken und die Haut sah ich all ihre Verletzungen. Offenbar konnte ich diese Fähigkeit, nachdem ich sie einmal erlernt hatte, nicht mehr abstellen. Die Brüche, Verstauchungen und Quetschungen pulsierten leuchtend rot. Je intensiver ich die Verletzungen anschaute, umso mehr schienen sie meinen Geist in sich hineinzuziehen, und ich hatte das Gefühl, Tulas körperliche Qualen in mich aufzunehmen. Unvermittelt durchzuckte mich ein höllischer Schmerz, und ich stürzte zu Boden.
Ich rollte mich zu einem Ball zusammen und presste die Augen ganz fest zu. Ein Teil von mir wusste zwar, dass diese Schmerzen nur eingebildet waren, aber in meiner Panik versuchte ich dennoch, sie zu verdrängen. Ich zog Kraft aus der Quelle. Magische Energie floss in mich hinein, und meine Haut fühlte sich an, als würde sie verbrennen. Schnell löste ich den Kontakt zur Kraftquelle.
Als der Schmerz nachließ, schrie ich vor Erleichterung so laut auf, dass es von den Wänden widerhallte. Ich fühlte mich vollkommen kraftlos. Keuchend blieb ich auf dem Boden liegen.
„Yelena, ist alles in Ordnung?“
Ich öffnete die Augen. Hayes beugte sich besorgt über mich. Ich nickte. „Tula?“
Er verschwand aus meinem Blickfeld. „Ihr geht es gut.“
Ich setzte mich auf. Einen Augenblick lang drehte sich das Zimmer um mich. Krampfhaft richtete ich den Blick auf einen festen Punkt.
„Was ist passiert?“, wollte Hayes wissen.
Fast hätte ich ihm gestanden, dass ich die Kontrolle verloren, mein Überlebensinstinkt sich zurückgemeldet und unwillkürlich auf meine Schmerzattacke reagiert hatte. Aber so hatte es sich eigentlich gar nicht angefühlt, und einen Kontrollverlust zuzugeben wäre zu gefährlich. Magier, die ihre Energie nicht beherrschten, zerstörten womöglich die Energiequelle, und die Meister wären gezwungen, mich zu töten. Also presste ich die Lippen zusammen und versuchte, Ordnung in das Chaos meiner Gedanken zu bringen.
Ehe ich Hayes’ Frage beantworten konnte, sagte er: „Du hast ihre beiden anderen Finger geheilt.“
Er stand neben Tulas Bett und hielt ihre linke Hand hoch. Sorgfältig kontrollierte er die Finger, ehe er ihr den Arm auf den Bauch legte.
Stirnrunzelnd wandte er sich an mich. „Du hättest das nicht ohne mich versuchen sollen. Kein Wunder, dass du geschrien hast. Du hast zu viel Energie in dich aufgenommen und musstest dich von ihr befreien.“ Er zeigte mit dem Finger auf mich. Noch immer lag ich hilflos auf dem Fußboden. „Ein Anfängerfehler. Und jetzt bist du erschöpft. Du musst wirklich lernen, an deiner Kontrolle zu arbeiten.“
Er half mir auf die Füße, und seine Stirn glättete sich. Er wirkte fast ein wenig erleichtert. „Du hast die Fähigkeit zu heilen, aber du brauchst Anleitung. Ich habe mich wohl in dir getäuscht. Zuerst habe ich dich nämlich für eine
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