Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
Theobroma.“
Bains graue Augen blickten mich nachsichtig an. „Wir versuchen es demnächst noch einmal. Gelsi, pack jetzt deine Sachen aus und mach dich ein wenig frisch.“
Kaum hatte sie Bains Turm verlassen, wandte er sich an mich. „Du hast dich gestern wohl verausgabt. Hayes hat mir gegenüber so etwas angedeutet. Sag mir, was passiert ist“, befahl er.
Ich erzählte ihm von den Schmerzen und der Energie. „Offenbar habe ich noch nicht die vollkommene Kontrolle“, sagte ich und wartete auf seinen Tadel. Wenn meine Tat wirklich ein unkontrollierter Ausbruch war, dann hätten es die anderen Meister-Magier gespürt. Und Roze hätte gewiss umgehend entsprechende Maßnahmen getroffen.
„Wieder etwas dazugelernt“, meinte Bain. „Verletzungen zu heilen ist ausgesprochen anstrengend. Aber genug fürs Erste. Wir sehen uns heute Abend beim Fest.
Das Fest. Ich hatte es vollkommen vergessen. Schon wieder. „Was soll ich …“, begann ich, unterbrach mich aber, denn ich fand es albern, ausgerechnet ihn nach der passenden Kleidung zu fragen.
Bain lächelte verständnisvoll. Offenbar konnte er Gedanken lesen. „Auf diesem Gebiet bin ich kein Experte“, erwiderte er. „Aber Zitora wird dir gern behilflich sein. Sie weiß in diesem Jahr nichts so recht mit sich anzufangen und wird sich bestimmt über etwas Gesellschaft freuen.“
„Ich dachte, sie sei mit Ratsangelegenheiten beschäftigt.“
„Das schon, aber sie muss sich allmählich an den Zustand gewöhnen, nach fünf Jahren Schule für sich selbst verantwortlich zu sein. Zum Unterrichten bleibt ihr dabei keine Zeit, aber das bedeutet nicht, dass sie auch keine Zeit für Freunde hat.“
Ich ließ Bain in seinem Turm zurück und eilte zu Zitora, die in der nordöstlichen Ecke des Bergfrieds wohnte. Auf den Pfaden des Campus’ herrschte Hochbetrieb. Menschen überholten mich oder strömten aus allen Richtungen kommend an mir vorbei. An beschauliche Spaziergänge durch den Bergfried war von nun an nicht mehr zu denken, aber der Trubel rings um mich herum erfüllte mich auch mit neuer Energie.
Zitora begrüßte mich mit einem breiten Lächeln, das erst verschwand, als wir über Tulas Zustand sprachen. Schließlich wandte sich die Unterhaltung den bevorstehenden Feierlichkeiten zu, und ich fragte Zitora, welche Kleidung dem Ereignis angemessen wäre.
„Die offiziellen Uniformen werden nur zu langweiligen Schulanlässen getragen“, erklärte sie. „Doch erzähl mir bloß nicht, du hättest nichts Schönes anzuziehen?“
Als ich den Kopf schüttelte, verwandelte sie sich auf der Stelle zu einer sorgenden Mutter und schlug mir vor, einige Kleidungsstücke zusammensuchen.
„Glücklicherweise haben wir beide die gleiche Größe“, meinte Zitora fröhlich.
Mein Protest war nur halbherzig, als sie mich zwei Stockwerke höher in ihr Schlafzimmer schleppte und Kleider, Röcke und Seidenblusen auf meine Arme häufte. Anschließend stemmte sie die Hände in die Hüften und betrachtete prüfend meine Stiefel. „Die kannst du aber nicht anziehen.“
„Sie sind bequem, und ich kann gut in ihnen laufen“, wandte ich ein.
„Das ist in der Tat eine Herausforderung. Hm. Ich bin gleich zurück.“
Sie verschwand in einem Nebenraum und ließ mich allein in ihrem Schlafzimmer zurück. Pastellfarbene Blumenbilder hingen an der Wand. Riesige Kissen türmten sich auf ihrem Himmelbett. Der Raum strahlte eine Behaglichkeit aus, die mich wie mit weit offenen Armen umfing.
Mit Triumphgeheul kehrte Zitora zurück. In der Hand schwenkte sie ein paar schwarze Sandalen. Damit ich sie gebührend bewundern konnte, hielt sie die Arme hoch, ehe sie sie mir gab.
„Gummisohlen, weiches Oberleder und flache Absätze. Genau die Richtigen, um die ganze Nacht durchzutanzen.“ Sie lachte.
„Ich kann gar nicht tanzen“, sagte ich.
„Das macht nichts. Du hast eine natürliche Anmut. Schau den anderen zu und mache es ihnen einfach nach.“
„Ich kann das wirklich nicht alles annehmen.“ Mit diesen Worten versuchte ich, ihr die Kleider zurückzugeben. „Ich bin wegen eines Ratschlags gekommen und nicht, damit Ihr mir Eure ganze Garderobe gibt.“
Sie machte eine abwehrende Handbewegung. „Das hinterlässt kaum eine Lücke in meinem Kleiderschrank. Ich sammle Garderobe. Ich kann an keinem Kleidergeschäft vorbeigehen, ohne etwas zu entdecken, das ich unbedingt haben muss.“
„Dann lasst mich wenigstens bezahlen …“
„Warte.“ Sie hob die Hand. „Ich mach es
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