Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
aufgerollt.
Hatte ich bisher mein Haar zu einem Knoten gebunden, so fiel es mir nun in üppigen Locken über die Schultern. Ich sah unmöglich aus. Doch gerade, als ich mir eine neue Frisur zurechtkämmen wollte, klopfte es an meiner Tür.
Sofort ergriff ich meinen Streitkolben und lugte aus dem Fenster. Cahil wartete draußen. Sein Haar und sein Bart leuchteten weiß im Licht des Mondes.
Ich öffnete die Tür und sagte: „Ich dachte, wir wollten uns …“ Und dann blieb mir der Mund offen stehen.
Cahil trug einen langen, mitternachtsblauen Umhang aus Seide. Der Kragen war aufgestellt, und der von silbernen Paspeln gerahmte tiefe V-Ausschnitt gab den Blick auf seinen muskulösen Brustkorb frei. Die silbernen Nähte schmückten auch die Schulterpartie und den äußeren Saum seiner weit geschnittenen Ärmel. Mit einem geflochtenen silbernen Gürtel, der mit Edelsteinen besetzt war, hatte er den Umhang um seine schmale Taille geschnürt. Die Hose passte zum Hemd und hatte ebenfalls Säume, die mit silbernen Paspeln besetzt waren. Dazu trug er auf Hochglanz polierte Lederstiefel. Ein Bild von einem Herrscher.
„Ich musste sowieso bei dir vorbei. Da lag es doch nahe, dich abzuholen“, erklärte Cahil.
Er blinzelte in das helle Licht der Laterne hinter meinem Rücken. Meinen erstaunten Gesichtsausdruck konnte er gar nicht sehen.
„Fertig?“, fragte er.
„Lass mir noch einen Moment Zeit.“ Er folgte mir in meine Wohnung, und ich deutete auf einen Stuhl. Danach verschwand ich im Schlafzimmer, vergewisserte mich, dass ich mein Schnappmesser bei mir trug, und strich meinen Rock glatt. Da mir keine Zeit mehr blieb, meine Frisur zu richten, begnügte ich mich damit, die Locken hinter meine Ohren zu klemmen. Locken! Das Leben in Sitia hatte mich ziemlich verweichlicht.
Cahil strahlte übers ganze Gesicht, als er mich im Licht sah.
„Wehe, du lachst mich aus“, warnte ich ihn.
„Eine schöne Frau lache ich niemals aus. Aber mit ihr würde ich gerne lachen – und ebenso gerne tanzen.“
„Schmeicheleien ziehen bei mir überhaupt nicht.“
„Ich habe jedes Wort ernst gemeint.“ Cahil bot mir seinen Arm an. „Wollen wir?“
Nach sehr kurzem Zögern gestattete ich ihm, mich unterzuhaken.
„Mach dir keine Sorgen. Heute Abend bin ich nur dein Begleiter. Ich würde dir ja anbieten, dich vor den Annäherungsversuchen betrunkener Männer zu beschützen, aber ich weiß, dass du durchaus in der Lage bist, dich alleine zu verteidigen. Du bist doch sicher bewaffnet, oder?“
„Immer.“
In einvernehmlichem Schweigen gingen wir nebeneinander her. Bald waren wir umringt von Schülergruppen und Paaren, die das gleiche Ziel hatten. Lebhafte Musik erfüllte die Luft und wurde lauter, je näher wir kamen.
Der Speisesaal war in einen Ballsaal verwandelt worden. Orangefarbene, rote und gelbe Samtbänder flatterten von der Decke und schmückten die Wände. Fröhliches Gelächter und munteres Stimmengewirr überlagerte die Musik. Während einige Besucher aßen und tranken, bewegten sich andere auf der hölzernen Tanzfläche. Alle schienen ihre beste Kleidung angelegt zu haben. Juwelen funkelten im Schein der Kerzen und warfen kleine Lichtblitze durch den Saal.
Niemand nahm unsere Ankunft zur Kenntnis. Doch als Cahil mich durch die Menge zum hinteren Ende des Raumes zog, schauten uns einige Gäste überrascht nach.
Endlich hatten wir uns durch die Menge hindurchgekämpft. Mein Blick fiel auf Leif, und wie vom Donner gerührt blieb ich stehen. Seit Irys’ Abreise hatte ich ihn nicht mehr gesehen und geglaubt, er habe nichts mehr mit den Schülern oder Klassen zu tun, seitdem er seine Prüfung im Bergfried abgelegt hatte. Und nun stand er da, neben Roze und Bain. Zielstrebig lief Cahil zu ihnen hinüber.
Um ein Haar wäre ich in Ohnmacht gefallen, als Leif mir zulächelte, während wir näher kamen, doch als er mich erkannte, wurde seine Miene finster. Ich fragte mich, was ich wohl tun müsste, um einmal ein aufrichtiges Lächeln von ihm zu bekommen. Aber dann verjagte ich den Gedanken, denn weder wollte noch brauchte ich sein Wohlwollen. Ich musste mir das nur immer wieder vorsagen, dann würde ich es irgendwann bestimmt auch glauben.
Als wir die Gruppe erreichten, machte Bain mir Komplimente über meine Frisur, während Roze mich vollkommen ignorierte. In unsere Versammlung kam erst Leben, als Zitora dazustieß.
„Perfekt! Absolut perfekt!“ Zitora war ganz begeistert von meinem Aussehen.
Bald wandte sich die
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