Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
dir einfacher. Morgen werde ich für den Rat auf eine Reise gehen, und vier Soldaten sollen mich dabei begleiten. Das passt mir überhaupt nicht. Irys und Roze dagegen können sich allein und unbehelligt durch ganz Sitia bewegen, wenn sie für ihre geheimen Missionen, also die, die wirklich Spaß machen, unterwegs sind. Aber der Ältestenrat sorgt sich um mich. Deshalb kriege ich immer Begleitschutz.“ Sie stieß einen frustrierten Seufzer aus. „Ich habe dich beim Stall mit deinem Streitkolben üben sehen. Was hältst du davon, wenn ich meine Kleider gegen einige Lektionen in Selbstverteidigung tausche?“
„Einverstanden. Aber wieso habt Ihr hier als Schülerin nicht gelernt, Euch selbst zu verteidigen?“
„Ich habe den Waffenmeister gehasst“, erklärte sie mit gefurchten Brauen. „Ein schrecklicher Tyrann, bei dem der Unterricht die reinsten Folterstunden waren. Es bereitete ihm einen höllischen Spaß, anderen Schmerz zuzufügen. So oft wie möglich bin ich ihm aus dem Weg gegangen. Und nachdem die Meister-Magier meine speziellen Fähigkeiten erkannt hatten, konzentrierten sie sich ohnehin mehr auf meine Ausbildung.“
„Wer ist denn der Waffenmeister?“
„Einer von Cahils Leuten aus dem Norden. Er heißt Goel.“ Zitora schüttelte sich angewidert. „Obwohl er nicht so schlimm war wie die Meisterprüfung …“ Sie unterbrach sich und sah plötzlich aus, als habe sie eine schreckliche Erscheinung. Dann schüttelte sie den Kopf, wie um die unangenehmen Erinnerungen zu vertreiben.
„Roze hat sich zwar angeboten, mich in Selbstverteidigung zu unterrichten, aber du wärst mir als Lehrerin lieber.“ Sie warf mir ein verschwörerisches Grinsen zu.
Sofort erklärte ich mich mit ihrem Vorschlag einverstanden. Dann stieg ich vorsichtig mit den Kleiderbündeln auf dem Arm die Turmtreppe hinab und ging zurück in meine Wohnung. Unterwegs fragte ich mich, was es mit der Meisterprüfung auf sich haben mochte. Fisk, der Bettlerjunge, hatte sie ebenfalls erwähnt. Ich nahm mir fest vor, Irys danach zu fragen.
Zahlreiche Schüler hielten sich auf dem Innenhof vor dem Haus auf, in dem meine Wohnung lag. Einige Jungen spielten Ball, andere lagen auf der Wiese, und wieder andere unterhielten sich angeregt. Mit Zitoras Kleidern auf dem Arm war es nicht ganz einfach für mich, meine Tür zu öffnen.
„He, du!“, rief jemand.
Ich schaute mich um und sah eine Gruppe von Mädchen, die mich feindselig anstarrten.
„Die Kaserne für die Frischlinge ist da drüben.“ Ein Mädchen mit langen blonden Haaren zeigte mit dem Finger in die Richtung. „Hier wohnen nur die Meisterschüler.“
„Vielen Dank, aber ich wohne auch hier“, rief ich und drehte mich wieder um.
Als ich es endlich geschafft hatte, die Tür aufzuschließen, spürte ich an meiner Wirbelsäule ein Kribbeln wie von einem kräftigen Energieschub. Ich warf die Kleider zu Boden und fuhr herum. Jetzt standen die Schülerinnen nur noch wenige Zentimeter hinter mir.
„Du hast hier nichts zu suchen“, sagte das langhaarige Mädchen. In ihren violetten Augen blitzte es gefährlich. „Du bist neu. Ich kenne jeden, und die Neuen wohnen in der Kaserne für Frischlinge. Diese Wohnung hier musst du dir erst einmal verdienen.“
Eine unwiderstehliche Zauberkraft ging von ihr aus. Der Wunsch, meine Kleider aufzusammeln und in den Schlafsaal der Frischlinge zu gehen, wurde übermächtig und zerrte an meinem Körper. Mit meiner mentalen Verteidigung lenkte ich ihren Befehl um.
Sie gab ein verärgertes Brummen von sich. Ihre Kameradinnen warfen sich vielsagende Blicke zu. Die Energie nahm zu, als sie ihrer Freundin zu Hilfe kamen. Ich wappnete mich für einen weiteren Angriff, doch ehe sie ihre vereinten Kräfte einsetzen konnten, ertönte eine Stimme über die Gruppe hinweg.
„Was geht hier vor?“
Sofort zerstreute sich die Energie, als Dax Greenblade die anderen mit seinem muskulösen Körper beiseite drängte und mit seinen flaschengrünen Augen durchdringend musterte. Im Sonnenlicht wirkte sein honigfarbenes Gesicht viel älter.
„Sie hat hier nichts zu suchen“, wiederholte das Mädchen.
„Yelena ist eine Schülerin der Vierten Magierin“, sagte Dax. „Man hat ihr Zimmer in diesem Flügel gegeben.“
„Aber das ist nicht fair“, greinte das Mädchen. „Das Recht, hier zu wohnen, muss man sich verdienen.“
„Wer sagt denn, dass sie das nicht hat?“, entgegnete Dax. „Wenn du glaubst, dass die Vierte Magierin einen Fehler gemacht
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