Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
etwas fragen?“
Der Magier warf seinem Schüler einen Blick zu.
„Ich warte im Turm auf Euch“, sagte Dax und verschwand.
„Du kannst mich alles fragen. Dafür brauchst du mich nicht um Erlaubnis zu bitten, mein Kind.“
Seine herablassende Anrede irritierte mich ein wenig, denn so matt, wie ich war, fühlte ich mich uralt. Nicht zuletzt deshalb fehlte mir die Energie, ihn zu verbessern – was gewiss nicht zu meinem Vorteil gewesen wäre. Abgesehen davon neigte er dazu, alle als „mein Kind“ anzureden, sogar Irys, die doppelt so alt war wie ich.
„Irys hat uns nicht ein einziges Mal besucht. Ist sie mir noch immer böse?“
„Böse ist nicht der richtige Ausdruck. Wütend oder zornig kommt der Wahrheit näher.“
Ich muss ziemlich entsetzt ausgesehen haben, denn Bain legte beruhigend die Hand über meine.
„Du darfst nicht vergessen, dass du ihre Schülerin bist. Deine Handlungen sind ein Spiegelbild ihrer Fähigkeiten als Lehrerin. Was du mit Tula getan hast, war äußerst gefährlich. Du hättest Tula, Opal, Leif und dich selbst töten können. Statt dich mit Irys zu beraten oder ihre Hilfe zu suchen, hast du vollkommen eigenmächtig gehandelt.“
Ich öffnete den Mund, um etwas zu meiner Verteidigung zu sagen, aber Bain hob abwehrend die Hand. „Eine Eigenschaft, die du dir gewiss in Ixia angeeignet hast. Weil dir niemand zu Hilfe kam. Weil du keinem vertrauen konntest. Du hast einfach getan, was du tun musstest. Habe ich recht?“ Bain wartete nicht auf meine Antwort. „Aber du bist nicht länger im Norden. Hier hast du Freunde, Kollegen und andere, die dir raten und helfen können. Sitia unterscheidet sich sehr von Ixia. Hier herrscht nicht einer allein. Wir haben einen Rat, der unser Volk vertritt. Wir diskutieren und entscheiden gemeinsam. Das ist etwas, das du noch lernen musst und Irys dir unbedingt beibringen muss. Wenn sie erst einmal versteht, warum du so gehandelt hast, wird sie nicht mehr so aufgebracht sein.“
„Und wie lange wird das noch dauern?“
Bain lächelte. „Nicht mehr lange. Irys ist wie die Vulkane in den Smaragd-Bergen. Sie lässt etwas Dampf ab, speit ein wenig Lava, aber sie beruhigt sich auch rasch wieder. Vermutlich wäre sie heute gekommen, aber am Nachmittag ist ein Kurier aus Ixia eingetroffen.“
„Ein Kurier?“ Ich versuchte, aus dem Bett zu klettern, aber meine Beine waren noch zu schwach für meinen Körper. Kraftlos sank ich auf dem Fußboden zusammen.
Bain schnalzte mit der Zunge und rief Hayes, um mir wieder ins Bett zu helfen.
Als Hayes verschwunden war, fragte ich nochmals: „Was denn für ein Kurier? Erzählt es mir.“
„Ratsgeschäfte.“ Der Magier machte eine abwehrende Handbewegung, als würde ihn das ganze Thema fürchterlich langweilen. „Es geht um einen Botschafter aus Ixia und sein Gefolge, die um eine Besuchserlaubnis für Sitia bitten.“
Ein Botschafter aus Ixia, der nach Sitia kommen wollte? Noch während ich darüber nachdachte, was das wohl zu bedeuten hatte, machte Bain Anstalten zu gehen, weil er darauf brannte, die Bedeutung der Tätowierungen auf der Haut des Mörders zu entschlüsseln.
„Bain“, rief ich ihm hinterher, als er die Tür öffnete, „wann kommen die Ixianer denn?“
„Ich weiß es nicht. Irys wird es dir bestimmt sagen, wenn sie dich besucht.“
Wenn. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass falls der bessere Ausdruck war. Auf sie zu warten wurde allmählich unerträglich. Ich hasste es, einfach nur dazuliegen und so hilflos zu sein. Irys musste meine Aufregung gespürt haben.
Yelena , hörte ich ihre Stimme in meinen Gedanken. Entspanne dich. Bewahre dir deine Kräfte.
Aber ich muss …
Ordentlich schlafen. Sonst werde ich dir nichts erzählen. Hast du mich verstanden?
Ihr strenger Tonfall ließ mir keine Chance zu widersprechen. Jawohl, Sir!
Ich versuchte, mich zu beruhigen. Anstatt Spekulationen darüber anzustellen, wann die Delegation aus dem Norden kommen würde, überlegte ich, wen der Commander wohl als seinen Botschafter schicken mochte. Das Leben eines seiner Generäle setzte er gewiss nicht aufs Spiel; also erschien es nur logisch, dass ein Berater kommen würde.
Am liebsten wäre mir Valek gewesen, aber die Sitianer vertrauten ihm nicht, und abgesehen davon wäre es für ihn auch zu gefährlich gewesen. Cahil und seine Leute würden versuchen, ihn zu töten, weil er den ehemaligen König von Ixia ermordet hatte. Doch würde es ihnen gelingen? Das käme darauf an, wie viele Gegner
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