Yelena und die Magierin des Südens - Snyder, M: Yelena und die Magierin des Südens
darauf verschwunden. Ich stützte mich an der Wand ab und fragte mich, ob das, was ich gerade erlebt hatte, tatsächlich passiert war. Oder hatte ich immer noch Halluzinationen? Mein Kopf fühlte sich an, als sei er zu lange unter Wasser getaucht worden. Mir war schwindlig und übel.
Erst lange, nachdem die Soldaten außer Sicht waren, fasste ich mir ein Herz und ging in mein Zimmer zurück. Ich stieß die Tür weit auf und leuchtete in jede Ecke und unters Bett.
Doch das Einzige, was mir entgegenschlug, war ein aufdringlicher, säuerlicher Gestank. Würgend öffnete ich die Fensterläden und sog begierig die kühle frische Luft ein.
Angewidert betrachtete ich die Lache auf dem Boden. Sie wegzuwischen war das Letzte, wozu ich jetzt Lust verspürte, aber mir war klar, dass ich mit diesem widerwärtigen Geruch unter der Nase keinen Schlaf finden würde. Ich besorgte mir die notwendigen Putzmittel. Nur hin und wieder musste ich innehalten, um den Brechreiz zu unterdrücken, aber es gelang mir, den Boden zu säubern, ohne in Ohnmacht zu fallen.
Erschöpft streckte ich mich auf dem Bett aus. Es fühlte sich ungemütlich an. Unruhig wälzte ich mich umher auf der Suche nach einer bequemen Position. Wenn Brazells Soldaten nun zurückkamen? Schlafend wäre ich eine leichte Beute. Da ich mich gewaschen hatte, mussten sie mich nicht zu den Baderäumen schleppen. Das Zimmer roch nach Reinigungsmitteln. Außerdem hatte ich vergessen, den Stuhl unter den Türknauf zu klemmen.
Meine Fantasie ging mit mir durch. Ich sah mich wehrlos ans Bett gefesselt, während die Soldaten mich langsam auszogen, um ihre Vorfreude zu steigern und sich an meiner Angst zu ergötzen.
Die Wände meines Zimmers schienen sich aufzublähen und rhythmisch zu pulsieren. Ich stürzte in den Korridor und erwartete, Brazells Soldaten vor meiner Tür herumlungern zu sehen. Aber der Gang lag leer und verlassen vor mir.
Als ich ins Zimmer zurückgehen wollte, hatte ich das Gefühl, als ob mir jemand ein Kissen vors Gesicht presste. Ich konnte mich nicht überwinden, über die Schwelle zu treten. Mein Zimmer war eine Falle. Waren es die Nebenwirkungen des Gifts, oder warnte mich mein Instinkt? Unentschlossenblieb ich auf dem Korridor stehen, bis mein Magen knurrte. Getrieben von Hunger, begab ich mich auf die Suche nach etwas Essbarem.
Meine Hoffnung, die Küche leer vorzufinden, wurde enttäuscht. Ein hoch gewachsener Mann in einer weißen Uniform mit zwei schwarzen Diamanten auf der Hemdbrust wieselte um die Backöfen herum und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin. Sein linkes Bein war steif. Gerade als ich mich wieder davonschleichen wollte, entdeckte er mich.
„Suchst du mich?“, fragte er.
„Nein“, erwiderte ich schüchtern. „Ich suche etwas zu essen.“ Ich musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht sehen zu können.
Stirnrunzelnd verlagerte er sein Gewicht auf das gesunde Bein, währender meine Uniform in Au gen schein nahm. Für einen Koch zu dünn, dachte ich, aber er trug die entsprechende Kleidung. Außer dem würde nur ein Koch um diese frühe Uhrzeit auf den Beinen sein. Mit seinen hellbraunen Augen und dem kurz geschnittenen braunen Haar sah er auf unaufdringliche Weise recht gut aus. Ich fragte mich, ob er Dilanas Rand war, den Margg erwähnt hatte.
„Bedien dich.“ Er deutete auf zwei dampfende Brotlaibe. „Ich verdanke dir übrigens einen Wochenlohn.“
„Wie bitte?“, fragte ich, während ich mir eine dicke Scheibe Brot abschnitt. „Wieso verdankst du mir einen Wochenlohn?“
„Du bist die neue Vorkosterin, stimmt’s?“
Ich nickte.
„Alle wissen, dass Valek dir eine Dosis von ‚My Love‘ verabreicht hat. Ich habe gewettet, dass du überleben würdest, und einen Wochenlohn darauf gesetzt.“ Er nahm drei weitere Laibe aus dem Ofen. „War ein ziemliches Risiko, denn du bistder kleinste und magerste Vorkoster, den wir je hatten. Die meisten, auch Margg, haben nämlich darauf getippt, dass du die Dosis nicht überstehen würdest.“
Der Koch wühlte in einem der Schränke herum. „Hier.“ Er gab mir die Butter. „Ich backe dir einen Pfannkuchen.“ Er nahm verschiedene Zutaten aus dem Regal und rührte einen Eierkuchenteig an.
„Wie viele Vorkoster hat es hier denn schon gegeben?“, erkundigte ich mich zwischen zwei Bissen in mein Butterbrot. Er schien nicht gerne allein zu arbeiten. Offenbar gefiel ihm meine Gesellschaft.
Ohne seine Tätigkeit zu unterbrechen, antwortete er: „Fünf,
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