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Yelena und die Magierin des Südens - Snyder, M: Yelena und die Magierin des Südens

Yelena und die Magierin des Südens - Snyder, M: Yelena und die Magierin des Südens

Titel: Yelena und die Magierin des Südens - Snyder, M: Yelena und die Magierin des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria V. Snyder
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beschmiert. In Brazells Waisenhaus hatten wir gelernt, dass jeder Teppich eine Provinz des ehemaligen Königreichs repräsentierte. Die mit Goldfäden durchwirkten, farbenfrohen Seidenstickereien, die in langjähriger Handarbeit entstanden waren, erzählten die Geschichte einer jeden Pro vinz. Jetzt, da die Teppiche in Fetzen von den Wänden hingen, kündeten sie von etwas anderem – der bedingungslosen und einflussreichen Machtübernahme des Commanders.
    Dessen Verachtung für den Überfluss, die Exzesse und Ungerechtigkeiten des einstigen Regenten und seiner Familie war in ganz Ixia bekannt. Der Wechsel von der Monarchie zur Militärherrschaft hatte zu gravierenden Veränderungen im Land geführt. Einige Bürger hießen die leicht verständlichen, aber strikten Regeln des Neues Gesetzbuches willkommen; andere jedoch rebellierten dagegen, indem sie sich weigerten, ihre Uniformen zu tragen, nicht um Erlaubnis für ihre Reisen baten oder in den Süden flohen.
    Die Vergehen der Aufsässigen wurden genau mit den Strafen belegt, die das Neue Gesetzbuch für die jeweilige Übertretung vorsah. Wer die Uniform nicht trug, wurde zwei Tage lang nackt auf dem Marktplatz angekettet. Dabei spielte es keine Rolle, ob der Gesetzesbrecher ein berechtigtes Motiv hatte; die Strafe war stets die Gleiche. Die Bürger von Ixia hatten schnell gemerkt, dass es keinen Verhandlungsspielraum gab, was ihre Sühne anbetraf. Weder Bestechung noch gute Verbindungen halfen ihnen weiter. In dieser Beziehung verstand der Commander keinen Spaß. Wer sich nicht an die Gesetzehielt, bekam die Konsequenzen zu spüren.
    Ich löste den Blick von den Wandteppichen und sah gerade noch, wie Valek durch einen kunstvoll verzierten steinernen Torbogen verschwand. Zersplitterte Holztüren hingen schief in den Angeln, aber die verschlungenen Schnitzereien von Bäumen und exotischen Vögeln waren noch zu erkennen. Die Türen waren ein weiteres Opfer der Machtübernahme und ein unmissverständlicher Hinweis auf die Einfachheit, die der Commander zum Lebensstil erhoben hatte.
    Verblüfft blieb ich stehen, nachdem ich durch die zerstörte Tür gegangen war. Ich stand im Thronsaal der Burg. Im Raum waren viele Schreibtische verteilt, an denen zahlreiche Ratgeber und Vertreter aus jedem Militärdistrikt des Landes saßen. Die Luft im Saal vibrierte vor Aktivität.
    Es war schwer, die Personen im allgemeinen Durcheinander zu unterscheiden, aber schließlich entdeckte ich Valek im Gewimmel. Er verschwand gerade durch eine Tür am anderen Ende des Raums. Es dauerte eine Weile, bis ich mir einen Weg durch das Labyrinth der Schreibtische gebahnt hatte. Als ich die Tür endlich erreicht hatte, vernahm ich die Stimme eines Mannes, der sich über die kalten süßen Kuchen beklagte.
    Commander Ambrose saß hinter einem schlichten hölzernen Schreibtisch. Im Vergleich zu Valeks Arbeitszimmer wirkte seines sehr nüchtern; kein einziger dekorativer Gegenstand zeugte von einer persönlichen Note. Das einzige Objekt im Raum ohne spezielle Funktion war eine handgroße Statue einer schwarzen Schneekatze. Ihre Augen glänzten silbern, und silbern glitzerten auch die Punkte auf dem kräftigen Rücken des Tieres.
    Die schwarze Uni form des Commanders war maß geschneidert und von makelloser Sauberkeit. Von Valeks Uniform unterschiedsie sich dadurch, dass die Diamanten auf dem Kragen echt waren. Sie blitzten im Licht der Morgensonne. Das schwarze Haar des Commanders war graumeliert und so kurz geschnitten, dass es wie eine Bürste abstand.
    In Brazells Unterricht hatten wir gelernt, dass der Commander öffentliche Auftritte vermied und keine Porträts von sich duldete. Je weniger Leute wussten, wie er aussah, umso geringer war die Gefahr eines Attentats. Einige hielten ihn für paranoid, aber ich glaubte, da er selber mit Hilfe von Attentaten und geheimen Machenschaften an die Herrschaft gelangt war, verhielt er sich einfach pragmatisch.
    Das war nicht der Commander, wie ich ihn mir vorgestellt hatte: stämmig, bärtig, mit Orden behängt und bis an die Zähne bewaffnet. Er war schlank, glatt rasiert und hatte feingliedrige Züge.
    „Commander, das ist Yelena, Eure neue Vorkosterin“, stellte Valek mich vor und zog mich ins Zimmer.
    Die goldbraunen, mandelförmigen Augen des Commanders schauten mich durchdringend an. Sein Blick war scharf wie die Spitze eines Schwertes. Unter seiner kritischen Musterung zog sich mein Magen zusammen. Reglos blieb ich stehen. Ich hatte das Gefühl,

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