Yelena und die verlorenen Seelen - Snyder, M: Yelena und die verlorenen Seelen
mit dem Daviian-Gebirge passiert ist. Dann wird dir klar werden, dass Jal sich nicht damit zufriedengibt, nur über Sitia zu herrschen. Wenn du erst mal nicht mehr nützlich bist, dann hast du ausgedient.“
„Du willst mich doch bloß verunsichern. Auf deine Worte gebe ich gar nichts.“
Er versuchte, mir den Pfeil in die Kehle zu stechen. Ich ließ mich auf den Rücken fallen und zupfte Kraft, während Cahil mich mit dem Gewicht seines Körpers zu Boden drückte. Mir blieb nicht viel Zeit zum Nachdenken. Ich richtete die Zauberkraft auf meinen Nacken, als er den Pfeil in meine Haut bohrte. Mit geschlossenen Augen behandelte ich die Stelle wie eine Verletzung. Vor meinem geistigen Auge sah ich das Curare wie ein pulsierendes rotes Licht, das sich in meinem Hals ausbreitete. Mit aller Kraft versuchte ich, die Flüssigkeit durch das winzige Loch in meinem Nacken herauszudrücken. Sie rann mir seitwärts über den Hals.
Als ich die Augen öffnete, schaute Cahil mich mit einer Mischung aus Triumph und Hass an.
Hoffentlich hatte er nicht mitbekommen, dass die Droge wieder aus mir herausgeflossen war. „Pass gut auf, Cahil“, warnte ich ihn. „Du wirst die Wahrheit schon noch sehen.“ Dann stellte ich mich gelähmt, verdrehte die Augen und ließ mich zu Boden fallen.
Grunzend erhob er sich. „Ich habe die Wahrheit schon gesehen. Deshalb will ich ja deinen Tod.“
Der Wurm trat neben ihn ans Feuer, und ich beobachtete sie aus den Augenwinkeln.
„Ich habe Magie gespürt. Ganz kurz. Hat sie ihre Macht bei dir benutzt?“, wollte einer der Würmer von Cahil wissen.
„Nein. Ich habe sie rechtzeitig betäubt.“
Anschließend redeten sie über ihren Aufbruch, den sie für den nächsten Morgen geplant hatten.
Als die anderen sich anschickten, das Lager aufzubauen, überlegte Cahil: „Vielleicht sollte ich sie jetzt schon töten.“
Besorgte Stimmen wurden laut. Das wäre äußerst unvorsichtig, meinten sie. Zum ersten Mal war ich mit den Würmern einer Meinung.
„Jal braucht sie, und wir wollen doch den Flammenmenschen nicht wütend machen“, wandte ein anderer ein.
„Was kümmert mich die Wut des Flammenmenschen?“, maulte Cahil. „ Ich habe hier das Sagen. Er sollte mir gehorchen. Er sollte besser darauf achten, mich nicht wütend zu machen, vor allem nach dem Fiasko im Dschungel.“
Jetzt klangen die Stimmen beschwichtigend.
„Legt sie wieder in den Verschlag“, befahl Cahil schließlich. „Verriegelt ihn, damit wir keine Probleme bekommen.“
Zwei der Würmer hoben mich vom Boden auf. Ich ließ mich schwer hängen, als sei alles Leben aus mir gewichen. Meine Hände waren immer noch gefesselt, und ohne sie zu bewegen konnte ich keine Magie anwenden. Ich wusste, dass einer von den dreien ein Fälscher war, doch über die anderen beiden war ich mir nicht im Klaren. Ich musste unbedingt mehr über sie wissen. Mir blieb nichts anderes übrig, als auf eine günstigere Gelegenheit zu warten. Hoffentlich bot sich mir eine.
Der Wurm kletterte auf einen Karren, warf mich in den Verschlag und schloss den Deckel. Das metallische Kreischen der Riegel, die zugeschoben wurden, verursachte mir im Dunkeln eine Gänsehaut. Ich biss mir auf die Lippen, um nicht vor Entsetzen laut aufzuschreien, als drei Schlösser zuschnappten. Die sargähnliche Kiste schien immer enger zu werden, und ich atmete ein paarmal tief durch, um mich zu beruhigen. Mein Blick fiel auf den schmalen Spalt zwischen zwei Brettern, durch den ein wenig frische Luft hereinströmte. Und Licht. Das schwache Flackern eines Feuerscheins drang durch die Ritzen.
Ich rutschte hin und her, um eine bequemere Haltung einzunehmen. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Viele Möglichkeiten hatte ich nicht. Die Magie war meine einzige Waffe. Am liebsten hätte ich mein Bewusstsein ausgesandt, um die Gegend zu erkunden, aber wenn sie herausfanden, dass ich nicht betäubt war, konnte ich die Flucht endgültig vergessen. Würde der Fälscher meine Macht auch im Schlaf spüren? Konnte ich den Wurm und Cahil in Tiefschlaf versetzen? Ich wäre dann zwar noch immer in der Kiste eingesperrt, aber ich könnte jemanden zu Hilfe rufen.
Doch wen? Nur ein Magier konnte mein mentales Rufen hören, und ich hatte keine Ahnung, wo ich mich befand. Wenn ich Glück hatte, traf ich auf einen Bewohner der Region. Auf diese Weise könnte ich wenigstens feststellen, wo ich war.
Da es nichts brachte, über einen Fluchtplan nachzugrübeln, ließ ich meine Gedanken
Weitere Kostenlose Bücher