Yelena und die verlorenen Seelen - Snyder, M: Yelena und die verlorenen Seelen
schweifen. Erstaunlich, dass ich die Droge aus meinem Körper herauspressen konnte. Hätte ich schon früher von dieser Fähigkeit gewusst, wäre ich jetzt nicht in dieser Lage. Und meine Probleme mit Curare, Schlaf- und Betäubungsmitteln wären gelöst. Angesichts meiner Zwangslage stimmte mich diese Erkenntnis allerdings nicht besonders froh.
Seit ich nach Sitia gekommen war, wollte ich alles über Zauberei lernen, das Ausmaß meiner Macht erkunden und wieder mit meiner Familie zusammen sein. Leider war alles schiefgelaufen, und ich hatte nicht einmal die Gelegenheit gehabt, zu Atem zu kommen, geschweige denn Zeit, meine magischen Talente auszuloten.
Dass ich das Curare aus meinem Körper pressen konnte, war ein neuer Aspekt. Meine Fähigkeiten beschränkten sich ausschließlich auf Lebewesen. Und da meine Zauberei das Gift nicht beeinflussen konnte, mussten die Muskeln in meinem Körper diese Arbeit erledigt haben.
Verzweiflung und purer Instinkt hatten mich so weit gebracht. Ich hoffte, es würde mir helfen. Dennoch würde ich wohl auf die Anwendung von Magie nicht verzichten können, sosehr es mir auch widerstrebte, sie einzusetzen. Sollte ich das Glück haben, das alles hier zu überleben, stand mein Entschluss fest: Ich würde mich als Seelenfinderin zurückziehen und meine Magie nur noch benutzen, um mit Kiki zu kommunizieren. Ob sie wusste, dass ich entführt worden war? Wusste Valek es? Und was für eine Rolle spielte Star in dieser Angelegenheit?
Zu viele Fragen, auf die ich keine Antwort hatte. Schließlich kehrten meine Gedanken zum Ausgangspunkt zurück: Ich würde bald etwas unternehmen müssen. Denn ich hatte das untrügliche Gefühl, dass es mein Ende wäre, wenn man mich dem Flammenmenschen auslieferte.
„Lasst uns aufbrechen. Wenn wir uns beeilen, sind wir bei Sonnenuntergang an der Grenze von Avibia.“
Cahils Stimme riss mich aus einem unruhigen Schlummer. Ich brauchte ein paar Sekunden, um mich zu orientieren. Ich war noch immer in dieser schrecklichen Notlage. Die Bedeutung seiner Worte versetzte mir einen Schock. Wir befanden uns bereits in Sitia! Der Schlaftrunk musste tagelang bei mir gewirkt haben. Wo war Valek? So viel zu meinem Versprechen, nicht ohne ihn nach Sitia zu gehen!
„Sollen wir mal nach ihr sehen?“, fragte eine Stimme mit dem Akzent von Ixia.
„Nein. Das Curare wirkt noch. Bis die Wirkung der Droge nachlässt, kann sie ohnehin nur atmen“, erwiderte Cahil. „Und gebt den Mädchen jetzt nichts mehr zu essen. Wir warten einfach, bis die Wirkung des Mittels vorüber ist, ehe wir sie für das Ritual vorbereiten.“
Die Mädchen? Ich blinzelte durch den Spalt meines Verschlags. Neben mir stand noch eine Kiste. Auf einmal hatte ich einen Eisklumpen im Magen. Wie viele mochten es sein? Würde ich ihnen helfen können? Ich unterdrückte ein freudloses Lachen. Wie albern! Da dachte ich doch tatsächlich daran, anderen zu helfen, während ich selbst gefesselt in einer Kiste lag.
Zwei Deckel wurden zugeschlagen, und die Kiste rutschte nach vorn. Das Trappeln von Pferdehufen vermischte sich mit dem rumpelnden Geräusch der Karren. Wir waren unterwegs.
Im Lauf des Tages durchlebte ich ein Wechselbad der Gefühle. Manchmal entsetzt, manchmal hoffnungsvoll und manchmal gelangweilt, stellte ich im Geist sogar eine Liste meiner Qualen zusammen. Durstig, hungrig, stechende Rippen, gefühllose Hände, schmerzende Muskeln und ein brennender Krampf zwischen meinen Schulterblättern. Meine Bewegungen wurden von den Fahrgeräuschen übertönt, als ich versuchte, mich in eine bequemere Lage zu manövrieren. Ich wand und verdrehte mich, bis es mir gelang, meinen Körper und meine Beine durch meine Arme zu ziehen. Es hatte durchaus Vorteile, klein und geschmeidig zu sein. Endlich hatte ich es geschafft, meine gefesselten Hände nach vorn zu bringen. Endlich konnte ich meinen Körper ein wenig entspannen. Vor Erleichterung hätte ich fast laut gestöhnt.
Mit den Händen vor dem Bauch konnte ich auf Entdeckungsreise gehen. Ich tastete über meinen rechten Schenkel. Verflucht! Das Schnappmesser war nicht da. Selbst die Halterung hatten sie abgenommen. Ich betrachtete den Ledergurt, mit dem meine Hände zusammengebunden waren, und zerrte mit den Zähnen an den Knoten. Es gelang mir, ein paar zu lösen, ehe der Wagen anhielt. Trotzdem machte ich weiter, selbst wenn ich es riskierte, jeden Moment dabei erwischt zu werden.
„Wir bleiben hier“, entschied Cahil. „Wenn ihr das Lager
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