Yelena und die verlorenen Seelen - Snyder, M: Yelena und die verlorenen Seelen
ab.
Schließlich beendete Leif das Schweigen. „Egal, wie du hierhergekommen bist – an deiner Fortbewegungstechnik musst du noch arbeiten. Vielleicht kannst du beim nächsten Mal ein paar Kleidungsstücke mitbringen.“
Leif und ich besorgten Mondmann eine braune Tunika und Hose sowie Proviant für unsere Reise. Ich packte die Satteltaschen und machte die Pferde fertig. Mondmann sollte auf Garnet nach Booruby reiten.
Für unseren Weg nach Norden entschieden wir uns für einen belebten Pfad. Mithilfe meiner Zauberkräfte durchforstete ich die Umgebung. Die Gefahr, in einen Hinterhalt zu geraten, schätzte ich allerdings gering ein; dafür kamen uns zu viele Wagen und Reisende auf der Strecke entgegen. Leif setzte seine Magie ein, um die Absicht der Würmer riechen zu können, doch er bemühte sich vergebens.
Wenn wir Booruby erreicht hätten, wollten wir die anderen suchen und gemeinsam mit ihnen über unsere nächsten Schritte entscheiden. Dass wir die Würmer aus den Augen verloren hatten, machte mir Sorgen, und ich fragte mich, in welche Richtung Cahil und Ferde wohl gegangen sein mochten. Zurück in die Ebene oder zum Plateau? Oder tüftelten sie einen neuen Plan aus, um Macht zu erlangen?
Ferde hatte Tula aus ihrem Haus in Booruby entführt. Sie war das einzige Opfer, das lebend gefunden worden war, und man hatte sie zum Bergfried der Magier gebracht. Dort hatte ich ihre Wunden geheilt und ihre Seele wiedergefunden – aber sowohl sie als auch ihren Körper an Ferde verloren. Einmal mehr überkam mich ein brennendes Schuldgefühl. Dass er in Freiheit war, trieb mich fast in den Wahnsinn.
Ich packte die Zügel fester, sodass Kiki aufgeregt schnaubte.
Entschuldige bitte . Ich lockerte meinen Griff. Ich dachte gerade an Ferde und Cahil .
Pfefferminzmann wie Apfel , sagte Kiki. Damit meinte sie Cahil.
Warum sagst du das ? Ich wusste, dass Kiki Äpfel liebte.
Wie schwarzer Apfel. Niemand will ihn .
Vor meinem geistigen Auge tauchte das Bild von verfaulenden Äpfeln auf, die auf der Erde lagen.
Schlecht. Aber Gutes kommt .
Kiki ließ mich sehen, wie aus den Samenkörnern Triebe wurden, aus denen ein Baum wuchs, nachdem der Apfel verfault war. Willst du damit sagen, dass von Pfefferminzmann etwas Gutes kommt? Oder dass es von Vorteil wäre, wenn er stürbe ?
Ja .
Ein rätselhafter Pferderat? Tja, jetzt konnte ich zufrieden sterben – ich war bestens informiert.
Zwei Tage später erreichten wir Booruby. Ansammlungen von Holz- und Steinhäusern prägten die Außenbezirke der Stadt. Der Wald wurde lichter und die Luft trüber. Eine Mischung aus Rauch, Kohlenstaub und Sägemehl waberte über den Gebäuden der Hauptstraße. Der Gestank von Abfall und menschlichen Ausdünstungen stieg uns in die Nase. Menschen eilten auf den Gehwegen hin und her, und mit Gütern beladene Karren stauten sich auf den Straßen. Läden und Buden zwängten sich zwischen Werkstätten und Geschäftshäusern.
Mondmann war sein Unbehagen förmlich anzusehen, als wir unsere Pferde durch die überfüllten Straßen lenkten. Er führte uns zum „Gasthaus zu den drei Geistern“. Das mit einer Steinfassade verkleidete dreistöckige Haus schmiegte sich eng an seinen Nachbarn. Durch eine schmale Gasse brachten wir die Pferde zu einem leeren Stall, der gerade einmal sechs Tieren Platz bot.
Die Boxen waren ordentlich. Sauberes Stroh und frisches Wasser standen bereit. Sofort tauchte ein Stallbursche auf, und wir nahmen den Pferden die Sättel ab. Der schweigsame Junge half uns beim Striegeln und Füttern. Als ich ihm ein Trinkgeld gab, warf er mir ein schüchternes Lächeln zu.
Auf unserem Weg in das Stadtzentrum waren wir an mehreren Gasthöfen vorbeigekommen. „Warum ausgerechnet diese Herberge?“, fragte ich Mondmann, als wir unser Gepäck durch die Gassen schleppten.
„Mir gefiel der Name. Obwohl …“ Er machte eine Pause, als würde er angestrengt nachdenken.
„Obwohl …?“, half ich ihm auf die Sprünge.
„Ich habe die drei Geister noch nicht getroffen. Vielleicht hast du mehr Glück.“
Ich lachte. „Du glaubst doch nicht etwa an Geister?“
Unvermittelt blieb Mondmann stehen, sodass ich ihm in den Rücken lief. Er drehte sich um, und ich schaute in sein entsetztes Gesicht. „Wie kannst du bloß nicht daran glauben? Es sind verlorene Seelen. Du kannst ihnen dabei helfen, auf den rechten Weg zurückzufinden. Wie du es für Reyad getan hast.“
Ich hielt mich an ihm fest, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
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