Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Yelena und die verlorenen Seelen - Snyder, M: Yelena und die verlorenen Seelen

Yelena und die verlorenen Seelen - Snyder, M: Yelena und die verlorenen Seelen

Titel: Yelena und die verlorenen Seelen - Snyder, M: Yelena und die verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria V. Snyder
Vom Netzwerk:
gemacht.“
    „Und du machst dir zu viele Köpfe“, entgegnete ich schnippisch. Eines Tages würde ich ihm und meinen Eltern von meinen Torturen erzählen. Aber nicht heute.
    Leif geriet ins Grübeln. Tauno döste auf einem der Holzstühle. Wie gelang es dem Sandseed bloß, sich auf so schmalem Raum zusammenzukauern und dennoch zufrieden zu wirken? Seitdem wir zusammen unterwegs waren, hatte er sich offensichtlich an das Leben in geschlossenen Räumen gewöhnt.
    Mondmann dagegen rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. War es die Enge der Umgebung oder meine Feindseligkeit, die ihm Unbehagen verursachte? Sein Verhalten mir gegenüber hatte sich vollkommen verändert. Lag es daran, dass ich einen neuen Geschichtenweber hatte, wie er behauptete? Jedenfalls war es nun ein Leichtes für ihn, mir die Wahrheit zu verschweigen.
    Da Cahil wusste, dass wir auf dem Weg nach Ixia waren, musste er Marroks Flucht geplant haben. Die Wächter von Sitia, die sie verfolgten, waren möglicherweise ein Teil des Plans.
    Ich musste mich zusammenreißen, nicht aufzuspringen und im Zimmer auf und ab zu laufen. Die Wartezeit erschien mir so lang wie eine Halsbandschlange. Meine Befürchtungen wuchsen allmählich ins Unermessliche. An erster Stelle stand nach wie vor Valek. Wo war er bloß? Er hätte längst wieder in Ixia sein müssen. In meinem Kopf fuhren die Gedanken Karussell. Um mich ein wenig abzulenken, setzte ich mich auf einen der unbequemen Stühle neben dem Fenster. Von dort sah ich einen Teil der Kasernen und des Übungsplatzes, wo die Soldaten des Commanders lebten und trainierten. Ich musste an meine Freunde, die Soldaten Ari und Janco, denken, die laut Maren jetzt Valeks Stellvertreter waren.
    Ich stand auf, begierig, etwas zu tun. Das nagende Gefühl in meiner Magengrube machte mich ganz nervös. Vielleicht sollte ich einfach ins Arbeitszimmer des Commanders gehen. Den Weg kannte ich noch. Warum nur war ich so unruhig?
    Schlagartig fiel mir die Antwort ein, und ich sank auf meinen Stuhl zurück. In diesen Mauern war ich immer eine Gefangene gewesen. Die Eisenstäbe des Verlieses, in dem ich gefangen gehalten worden war, waren ein Gift namens Butterfly Dust gewesen. Dieses Gift war mir verabreicht worden, und nur durch eine tägliche Dosis eines angeblichen Gegenmittels hatte ich überleben können. Das alles hatte mich in meiner Bewegungsfreiheit kolossal eingeschränkt. Es waren die Erinnerungen daran, die in diesen Wänden mit aller Macht in mir aufstiegen und mir das Gefühl vermittelten, auf glühenden Kohlen zu sitzen. Da half es auch nichts, dass ich mir immer wieder einredete, ein freier Mensch zu sein. Mein Verstand konnte mein Gefühl einfach nicht davon überzeugen.
    Endlich tauchte ein Ratgeber auf, der uns durch die Hauptkorridore der Burg führte. Leif stieß einen überraschten Laut aus, als wir die Haupthalle betraten. Angesichts der zerfetzten goldfarbenen Seidenteppiche an den Wänden konnte ich seine Reaktion nur zu gut verstehen. Die einstmals berühmten Gobelins, die während der Königsherrschaft jeweils eine Provinz symbolisierten, waren mit schwarzer Farbe beschmiert – ein trauriges Zeugnis der feindlichen Machtergreifung. Die alten Provinzen waren zerstört und die ehemaligen Grenzen neu gezogen worden, sodass acht gleichförmige Militär-Distrikte entstanden waren.
    Alles in diesem steinernen Gebäude kündete von Commander Ambroses Verachtung von Reichtum, Verschwendung und Gier. Zusammen mit den Insignien des Königtums hatte man der Burg ihre Seele genommen und sie zu einem schlichten funktionalen Bau degradiert.
    Die Umwandlung des Thronsaals war ein weiteres Zeichen seiner Geringschätzung. Aufwendige Dekorationen und dicke Teppiche waren ebenso entfernt worden wie die Empore und der Thron. Stattdessen wimmelte es in dem Raum von zahlreichen Ratgebern und Offizieren aus jedem Militär-Distrikt in Ixia. Schreibtische standen dicht nebeneinander, sodass uns fünf einiges an Geschicklichkeit abverlangt wurde, während wir uns einen Weg durch den Saal bahnten.
    Das Arbeitszimmer des Commanders entsprach in seiner Ausstattung dem Rest der Burg. Nüchtern, aufgeräumt und durchorganisiert, fehlte es dem Zimmer an jeglicher Persönlichkeit. Dafür spiegelte es den Charakter seines Besitzers aufs Vollkommenste.
    Commander Ambrose erhob sich, als wir eintraten. Er trug eine maßgeschneiderte schwarze Uniform mit echten Diamanten am Kragen. Ich betrachtete sein glatt rasiertes Gesicht, während

Weitere Kostenlose Bücher