Yoga als Therapie
dafür gibt es schon lange; in den letzten Jahrzehnten hat die moderne Forschung konkrete Hinweise für die weit reichende therapeutische Wirkung dieses uralten Übungsansatzes erbracht ( Kap. 1 ).
Achtsamkeit in der buddhistischen Tradition
Im Satipatthāna Sutta, einer der wichtigsten Lehrreden des Buddha, geht es um die Praxis der Achtsamkeit, die wir auch auf die Übung von Körperhaltungen und Bewegungen anwenden können. Der Text beschreibt den grundlegenden Ansatz des mönchischen Lebens: Gehend weiß der Mönch: „Ich gehe.“ Stehend weiß er: „Ich stehe.“ Sitzend weiß er: „Ich sitze.“ Liegend weiß er: „Ich liege.“ In jedem Augenblick ist er sich seiner Körperhaltung bewusst. Durch Loslassen seiner Erinnerungen und Wünsche wird sein Geist ruhig und konzentriert.
Anschließend geht es um die korrekte Methode desAtmens. Der Mönch sitzt in einer geraden, festen Haltung da und hält seine Aufmerksamkeit aufrecht. Einatmend weiß er: „Ich atme ein.“ Ausatmend weiß er: „Ich atme aus.“ Während er seinen ganzen Körper bewusst wahrnimmt, atmet er ein, während er seinen ganzen Körper bewusst wahrnimmt, atmet er aus. Durch diese konzentrierte Praxis kann er alle Zerstreuungen loslassen und sein Geist wird ruhig und konzentriert. Er wird wie ein tiefes Wasser, das von keinerlei Wellen gestört wird. In diesem Wasser spiegelt sich alles klar und ruhig. Aus diesem Text hat sich eine der wichtigsten Meditationsübungen des Theravada-Buddhismus entwickelt, bei der es um die „Vier Grundlagen der Achtsamkeit“ geht.
Dieselben Prinzipien werden in derZen-Tradition befolgt, die sich von China ausgehend nach Korea und Japan ausgebreitet hat. Um ein tieferes Verständnis für die Tätigkeit des Geistes zu erlangen, lernt man, Gedanken und Emotionen loszulassen. Wie Takuan Sōhō, ein japanischer Zen-Meister des frühen 17. Jahrhunderts, formuliert, wird dann ein mentaler Zustand des „Nicht-Geistes“ erreicht ( Takuan 1999 ). Interessanterweise ist dieser Zustand nicht sichtbar, sondern nur mit dem Körper erfahrbar. Takuan schreibt, der Zweck der Übung bestehe daran, sich von geistigen Anhaftungen zu befreien. Dieser Ausdruck bezieht sich auf die gewöhnliche Haltung des Geistes, der sich ständig an irgendetwas klammert. Der „Nicht-Geist“ hingegen ist frei von solchen Fesseln. Nach dem Verständnis der Zen-Tradition ist unsere Neigung, den Geist an die uns umgebenden Dinge zu heften, ein gewaltiges Hindernis bei der Übung. Um uns von ablenkenden Gedanken zu befreien, rückt die Atmung ins Zentrum der Meditation. Sobald wir daran denken, etwas zu tun, sagt Takuan, wird unser Geist von diesem Gedanken aufgehalten. Die Lösung besteht darin, dass der Geist eine Handlung initiiert, ohne dabei stehen zu bleiben. So entsteht der „ursprüngliche Geist“ des Zen, der den ganzen Körper und all seine Teile durchdringt, während unser alltäglicher Geisteszustand, der „verwirrte“ oder „verblendete Geist“, aufgrund seiner exzessiven gedanklichen Tätigkeit auf einen bestimmten Punkt fixiert ist. Durch die Konzentration auf den Atem können selbst Anfänger langsam lernen, diese Fixierung zu lockern und sich auf eine offenere Haltung zuzubewegen.
Psychologische Aspekte der Achtsamkeit und Bewegung
Alle Therapeuten sind sich einerseits bewusst, dass manuelle Behandlungen und Körperübungen bei ihren Patienten emotionale Reaktionen hervorrufen können. Andererseits nehmen Emotionen und Gedanken, die die Patienten mitbringen, direkt Einfluss auf ihr Verhalten und ihre Bewegungen. Negative Emotionen wie Angst, Niedergeschlagenheit, Ärger und Aggression erschweren es, eine für die aktuelle emotionale Lage passende Übung auszuwählen. Auch die Bewegungen von Körper und Geist werden schwerfälliger. Im Gegensatz dazu lässt ein positiver emotionaler Zustand wie Freude oder Verliebtheit die Bewegungen leicht und flüssig werden.
Der sich seiner selbst bewusste Geist beobachtet und erforscht sich hinsichtlich seinerEmotionen, seiner Stimmung und seiner Gedanken ( Kabat-Zinn 2007 ). In der Psychologie ist man sich einig, dass der erste Schritt zur Beherrschung von Emotionen die reflexive Selbstwahrnehmung ist. Sigmund Freud (1999 , S. 376) spricht von einer „gleichschwebenden Aufmerksamkeit“. Wie Goleman (2011) erläutert, kann man sich über jemanden ärgern, das jedoch gleichzeitig reflektieren und feststellen, dass man ärgerlich ist. Dieser Vorgang führt offenbar dazu, dass
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