Yoga Bitch
ewige Jugend unter die Nase reiben – also ständig – und ihre Geheimnisse in Büchern, auf DVDs und sogar (umsonst!) in Interviews und Blogs preisgeben, gießen sie Öl ins Feuer unserer Eitelkeit und beweisen uns die Machbarkeit. (Apropos Blogs: Gwyneth Paltrows Blog Goop , in dem sie wie eine makrobiotische, fanatische Martha Stewart Unsinn über ihr perfektes Leben von sich gibt, ist ein ganz besonders gutes Beispiel. Goop hat ihr vor allem in der US-Presse sehr viel Spott eingebracht, obwohl man fairerweise sagen muss, dass dort alle zwei Wochen zumindest eine gute, nicht allzu weltfremde, unter 18.000 Dollar umsetzbare Idee nachzulesen ist.) Ganze Hefte funktionieren am Zeitschriftenkiosk dadurch, dass sie zeigen, wie man selbst das Leben und die Suche nach der Perfektion auf Star-Level nachmachen kann: sich genauso stylen und schminken oder einfach nur auf Vorher-Nachher-Fotos verlorene Babypfunde oder neue Nasen und Lippen betrachten und darüber lästern. Doch hierin liegt eine große Gefahr, denn Celebrities dürfen und sollen viel weiter gehen als alle anderen, weil es eben ihr Job ist, vor der Kamera gut auszusehen. (Viel mehr müssen sie oft gar nicht tun. Manche, wie Marcia Cross, das rothaarige Desperate Housewife Bree Van De Kamp, geben dies sogar zu. Sie sagte einmal: »Ich werde dafür bezahlt, nicht zu essen.«) In jedem Fall lassen sich Prominente bei dieser Aufgabe gern helfen. Madonna singt in American Life :
I got a lawyer and a manager
An agent and a chef
Three nannies, an assistant
And a driver and a jet
A trainer and a butler
And a bodyguard or five
A gardener and a stylist
Do you think I’m satisfied?
Ich denke schon. Aber der Gärtner, der Stylist und der Trainer sind Teil der Madonna-Maschinerie. Ich würde vielleicht auch sechs Stunden am Tag Yoga machen, wenn ich glaubte, dass meine Karriere von meinen Muckis abhänge – und ich einen Personal Trainer hätte. (Ich sagte: vielleicht.)
Wenn sich Celebrities Botox in die Achselhöhlen spritzen lassen, um nicht zu schwitzen, muss man bedenken, dass sie damit verhindern, für den Rest ihres Lebens mit Schweißfleckenfotos konfrontiert zu werden. Zumindest was diesen Punkt angeht, werden ihnen die meis-
ten Normalos wohl nicht hinterhereifern wollen und sogar dankbar dafür sein, normal(o) sein zu dürfen. Andererseits kann man sich dessen wohl auch nicht mehr sicher sein: Normalos, die sich in sozialen Netzwerken herumtreiben, unterliegen inzwischen auch einem gewissen Foto-Druck, den man vielleicht nicht mit dem der Hollywood-A-Liste vergleichen kann, der einen aber trotzdem zu blödsinnigen Aktionen verleiten kann.
Früher war Schönheit etwas Gottgegebenes. Filmstars wurden auch deshalb zu Filmstars, weil sie schön waren. Heute gibt es unzählige Möglichkeiten, sich selbst zu optimieren. Schönheit – oder die schönste Version des Selbst – ist heutzutage eine Wahl, die jeder Einzelne treffen kann. Wer es nicht tut, ist selber schuld. Die eigenen Zähne können noch so gut erhalten sein – gegen begradigte, aufgehellte Chihuahua- und Promi-Gebisse werden sie einfach schlecht abschneiden. Durch die Selbstoptimierung bietet sich außerdem eine Art von Kontrolle, die auf vielen anderen Ebenen eines modernen Lebens nicht mehr gegeben ist.
*
Nach nicht einmal 48 Stunden der Zahnschonung hatte ich unglaublichen Kaffeedurst und verabredete mich mit Polly. Sie sah traurig aus und trug sehr hässliche Turnschuhe, die mir bekannt vorkamen.
»Ach, das sind die MBTs, diese Massai Barefoot Technology. Sauhässlich, die Teile, oder?«, klagte sie.
»Ja. Aber bringen sie was?«
»Ich glaube schon.«
»Sag mal, wie würdest du ›Namasté‹ übersetzen?«
»Ich verbeuge mich vor dir. Es geht darin um den göttlichen Funken, den jeder in sich trägt und den man respektiert. Aber sag mal, du siehst super aus. Was ist anders?«, fragte sie und kniff das linke Auge zu, wie immer, wenn sie sich konzentrierte.
»Vielen Dank auch.«
»Nein, komm. Irgendwas ist anders, aber ich komme nicht drauf.«
»Ich habe mir die Zähne bleichen lassen«, sagte ich und lachte mein breitestes Zahnpastareklame-Lächeln.
»Sehr gut geworden. Nicht dieses falsche Hollywood-Weiß, bei dem man eine Sonnenbrille braucht«, sagte Polly leise.
»Was ist denn los mit dir? Fühlst du dich nicht gut?«
»Nicht so gut, nein. Mein Job …« Polly arbeitete in der PR-Branche, sehr lange Stunden mit viel Irrsinn. In der letzten Zeit fühlte sie sich zunehmend
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