Yoga Bitch
Drinkorexics) Tageskalorien gegen Abendkalorien (also Alkohol) auf. Das heißt, wenn sie am Abend trinken wollen, essen sie tagsüber weniger. Das rächt sich, wenn sie sich betrunken auf dem Nachhauseweg zwei Döner reinziehen oder über den Kühlschrank herfallen. Dann fühlen sie sich am nächsten Tag noch schuldiger.
– trinken oft grünen Tee, bevor sie ausgehen, vorbeugend sozusagen.
– haben Sojapudding neben drei Sorten Wodka im Kühlschrank, Schwarzbrot und immer ein bisschen Gras.
– verwenden Naturkosmetik genauso wie Botox.
– stehen auf mittelalterliche Methoden wie z. B. Schröpfen oder Blutegel.
Uschi war ein typisches Beispiel eines schizophrenen Lebenswandels. Sie war jung genug, die beiden Pole auch mal innerhalb eines Tages miteinander zu verbinden.
»Mei, du, einmal kam eine direkt vom Feiern hierher, so aus schlechtem Gewissen. Die hatte dann aber so was von intus, dass sie beim Baum gleich umgefallen ist. Das sollte man mal erfinden: Druffi-Yoga. Apropos: Gemma heut Abend einen heben?«
Ich hatte am Abend zwar den Rückflug gebucht, doch den hatte ich mental längst aufgegeben. Ich wollte unbedingt noch eine Stunde bei Julian mitmachen. Das, da war ich mir sicher, würde mich für immer motivieren. Ich spürte jetzt schon, nachdem die Stunde vorbei war, Lust auf den neuen Schuss wie ein Junkie. Vielleicht war es ähnlich wie das, was Polly als Sucht bezeichnete. Muss … Stunde …mit … Julian … haben.
Sophie ging es indes in München gleichzeitig gut und schlecht. Schlecht, weil sie jeden Tag ihre Eltern sehen und Knödel essen musste, und gut, weil sie ganz unverhofft eine neue Inspiration für ihre Arbeit fand. Sie hatte auf der Straße eine alte Schulfreundin getroffen, die jetzt als Ernährungswissenschaftlerin arbeitete und Sophie mit jeder Menge Informationen und Anregungen versorgte.
»Ich bin heute Abend mit ihr verabredet, komm doch mit«, sagte Sophie, als wir uns am Viktualienmarkt einen frisch gepressten Saft reinkippten.
»Ich bin eigentlich schon mit Uschi und Mina verabredet.«
»Wo denn?«
»Im Hasimausi , um 9.«
»Dann kommen wir da auch hin.«
»Was hat dir denn deine alte Schulfreundin so Interessantes erzählt?«
»Über ganz neue Essstörungen. Sehr interessant alles.«
»Erzähl mal.«
»Also, die Essgestörten werden immer raffinierter. Heute kann man sich gar nicht mehr sicher sein, dass, wenn jemand behauptet, eine Allergie zu haben, nicht eigentlich eine Essstörung dahinter-steckt.«
»Und was noch?«
»Veganer. Wenn sie sagen: ›Och, die armen Tiere, ich bin Veganer‹, wollen sie in Wahrheit nur weniger Kalorien zu sich nehmen. Also nicht alle Veganer natürlich. Oder – ganz widerlich – Essen kauen und wieder ausspucken. Soll häufiger vorkommen, als man denkt. Eigentlich bringt das auch gar nichts, denn man nimmt Kalorien ja schon über den Speichel auf.«
»Ja, das kenne ich. Alev hatte doch mal so eine Kollegin, die das in der Kantine trieb. Als sie dann entlassen wurde, fanden sie in ihrem Schrank lauter Gläser mit halb gekautem Essen …«
»Oh Gott. Tja, und dann gibt es die, die wir alle kennen, die Orthorektiker.«
»Und die machen was genau?«
»Die reden sich damit heraus, nur Bio-Sachen und Lebensmittel ohne Konservierungsstoffe und E-Nummern zu essen. ›Ach, wenn das jetzt Bio wäre, würde ich’s essen‹, sagen die, oder: ›Nein, iiiih, da ist ja E124 drin, das geht nicht, weißt du, was das im Körper anrichtet?‹ Sie tun so, als wollten sie nur gesund essen, dabei wollen sie einfach so viele Lebensmittel wie möglich ausschließen.«
Oh Gott. Darauf eine Butterbreze.
*
Der Abend war lustig und erstaunlich, denn die dünne Mina trank ein Bier nach dem anderen. Ein Drinkorexic?
»Du, der Vitamin-B-Gehalt von Bier ist der Wahnsinn. Bier fördert die Nierenspülung mehr als alles andere. Außerdem hat ein Liter Bier zwischen 400 und 500 Kalorien und Sekt so um die 800. Oiso, Prost!«, sagte sie.
»Trotzdem«, sagte Uschi, »wenn du genauso viel Bier trinken würdest wie Prosetscho, hättest du eine Wampe. Das setzt irgendwie mehr an in der Körpermitte, des Bier.«
Alle am Tisch nickten zustimmend. Ich bestellte mir daraufhin auch ein Helles und sprach Mina auf eine Beobachtung von ihr an, die mir seit unserem letzten Treffen nicht mehr aus dem Kopf gegangen war.
»Das, was du letztes Mal gesagt hast, dass schlank sein Freiheit gleichkommt in der Mode …«
»Ja, ich habe auch noch mal darüber nachgedacht,
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