Yoga Bitch
ein.
Tante Ida schenkte uns Gojibeeren-Saft ein.
»Gojibeeren enthalten 4000 Prozent mehr Antioxidantien als Orangen und mehr B-Vitamine als jede andere Frucht«, sagte sie, und alle nahmen das Gesprächsthema gerne auf.
»Weißt du, du hast schon immer dazu geneigt, Dinge besessen zu betreiben, bis sie dich langweilen«, sagte meine Mutter sanft.
»Ich weiß. Aber das hat nichts mit Besessenheit zu tun, sondern ist durchdacht und organisiert. Es ist ein Projekt, und weißt du was? Ich fühle mich jeden Tag besser dabei.«
Sie sagte nichts.
»Du hast Angst, dass ich nicht weiß, wann ich aufhören soll, oder?«
»Lasse doch turnen, wenn se will«, sagte mein Cousin Luis, und damit war das Thema für diesen Abend vom Tisch.
Später zeigte mir Luis auf seinem Laptop einen Saturday-Night-Live-Sketch. Tobey Maguire spielt darin einen langhaarigen Yoga-Lehrer, und Will Ferrell einen Schüler, der mitten in der Yoga-Stunde anfängt, sich selbst oral zu befriedigen. Tobey Maguire unterbricht ihn und bittet ihn aufzuhören, doch Will Ferrell sagt: »Ich habe jetzt drei Jahre lang Yoga gemacht und endlich mein Ziel erreicht. Ich werde das jetzt genießen!«
Dann wollen alle männlichen Schüler der Klasse dasselbe lernen und bedrängen den Lehrer. Der weigert sich und sagt: »Hey, ich könnte das auch, aber ich will nicht. Ich bin ja nicht schwul.« Irgendwann endet der Sketch mit Will Ferrells Satz: »Das ist mein Nirwana.«
Wir lachten, bis mir Gojibeeren-Saft aus der Nase kam.
»Die Amis hams voll drauf mim krassen Humor«, grinste Luis. »Hey, samma, gibt’s so was echt im Yoga?«
»Nein, gibt’s nicht. Sonst wären ja alle Yoga-Klassen weltweit voll mit Männern.«
»Höhö. Stimmt. Aber samma, stimmt es, dass die geilsten Chicas zum Yoga gehen?«, fragte Luis weiter.
Ich überlegte kurz und sagte dann: »Ja, das stimmt wohl.«
»Boah.«
*
Bevor ich wieder nach Hause fuhr, sprach ich noch einmal mit meiner Mutter.
»Hör mal zu. Ich mag mich so, wie ich bin. Ich will nur ein bisschen besser aussehen.«
Zu meinem Erstaunen entschuldigte sie sich und sagte: »Ich weiß. Es ist dein Leben und du bist alt genug, um zu wissen, was du tust. Und ganz ehrlich: Wenn es das alles zu meiner Zeit gegeben hätte, hätte ich’s auch gemacht, und wahrscheinlich noch mehr.«
»Also, ich kann dich beruhigen. OPs interessieren mich nicht, und die hat Tante Ida sowieso verboten. Ich werde nur nicht-invasive Sachen machen.«
Im Zug nach Hause stieß ich im Internet auf eine Liste der Magazintitel, die sich 2009 am besten verkauft hatten. Auf Platz 1 lag der Stern -Titel »Schlank, fit und stark«, der den Auftakt einer Stern -Diätserie bildete. Der Focus -Titel, der sich am besten verkauft hatte, hieß »Neue schöne Zähne«. Mein Vorhaben schien also für sehr viele Menschen ein interessantes Thema zu sein. Es wird gerne mit dem Finger auf die Medien gezeigt, wenn es um die Debatte geht, ob sie die richtigen Ideale abbilden. Doch scheinbar wollen die Leser sich mit Schönheit beschäftigen. Insofern dürfte es nicht verwundern, wenn wir in Zukunft noch mit mehr Titeln dieser Art konfrontiert werden.
*
Es war Zeit, Polly zu verabschieden. Bei einer Freundin von Rosa, die in Santa Monica lebte, war ein Zimmer frei geworden, und Polly beschloss, das neue Jahr in LA einzuläuten. Rosa war beim Skifahren, also brachten Sophie, Alev und ich sie zum Flughafen.
»Komm uns bloß nicht mit orangefarbener Kutte und Glatze zurück«, sagte Sophie und musste mit den Tränen kämpfen.
»Oder mit neuen Möpsen«, sagte Alev.
»Pass’ auf dich auf. Und schreib’ uns«, sagte ich.
»So, jetzt muss ich los, sonst fange ich an zu heulen«, schluchzte Polly und umarmte uns. Und weg war sie. Wir sahen ihr noch lange nach.
»Hoffentlich wird sie nicht so ein LA-Freak«, sagte Alev leise.
»Was seid ihr denn so Anti-LA?«, fragte ich. Mir schien, wir sollten Polly ein bisschen mehr Vertrauen mit auf den Weg geben.
»Na ja, du weißt doch, wie es ist: Wenn alle um dich herum seltsam aussehen, gewöhnt man sich irgendwann dran und findet das normal«, sagte Alev.
Ich wollte antworten, dass es gerade eine kleine Anti-Fake-Bewegung gibt und dass D-Körbchen und Karpfenlippen nun gegen kleinere Versionen ausgetauscht werden, doch ich wollte heute nicht an meine Arbeit denken.
»Vielleicht wird sie ja mehr so ein Yoga-Freak«, sagte Sophie.
»Oh Mann. Du meinst wie diese Facebook-Freundinnen von ihr, die ständig irgendetwas in
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