Yoga Bitch
missbraucht Mitarbeiter als Versuchskaninchen!
»Also freust du dich nicht über die vier Kilo weniger?«
»Doch, klar. Trotzdem spinnt die.«
»Klar spinnt sie. Aber welche Chefin spinnt schon nicht?«
*
Es war indes höchste Zeit, mich endlich der Zahnproblematik zu stellen. Ich hatte bereits zwei der begehrten Termine bei Dr. Kiefermed platzen lassen, weil mich das alles viel zu sehr an die drei Jahre erinnerte, die ich als Teenager mit Gummibändern und Metallplättchen im Mund verbracht hatte. Währenddessen ließ die Wirkung des Bleachings nach. Vielleicht kam es mir auch nur so vor: Wenn man ein paar Wochen lang ständig sehr weiße Zähne sieht, wird man eben schnell unzufrieden. Die Bleaching-Schmerzen waren noch zu frisch, um es noch einmal zu versuchen. Ich entschloss mich stattdessen, alle Home-Kits auszuprobieren – da konnte man wenigs-
tens abbrechen, wenn es zu viel wurde.
Dr. Kiefermed. war ein alter, grummeliger Typ, der zunächst einen Abdruck meines Mundes nahm. Währenddessen erklärte er mir, was
man bei mir machen müsste: Spange oben und unten, mindestens sechs Monate.
»Aber es ist doch nur ein schiefer Zahn!«, versuchte ich zu argumentieren, was ähnlich zwecklos ist, wie wenn Fußballspieler nach einem Foul auf den Schiedsrichter einreden.
Trotzdem war ich mir sicher, dass man diesen Zahn nur ein bisschen abschleifen und die kleine Lücke mit irgendetwas auffüllen könnte. Wieso wollte das niemand tun? Diese Kiefermafia, die steckten doch alle unter einer Decke!
Wenigstens konnte ich mir aussuchen, ob die Teile außen oder innen angebracht würden. Der Kostenvoranschlag würde mich noch in dieser Woche erreichen.
»Und tut es weh?«, fragte ich.
»Es ist sehr unangenehm am Anfang«, sagte der Doktor erstaunlich ehrlich. »Aber man gewöhnt sich daran.«
An den Kostenvoranschlag, der ein paar Tage später per Post kam, konnte ich mich nicht gewöhnen: 4.200 Euro, und sechs Monate Druck und Metall im Mund. Das nahm mir die Entscheidung ab. Ich hatte mir bei Rosa einen Veto-Punkt erkämpft, und die Zahnspange würde es sein. Vielleicht musste ich nur warten, bis etwas Besseres, Schmerzloseres erfunden wurde.
Als ich in die Arbeit kam, hatte mir die Chefin mir eine Studie in mein Fach gelegt. Sie besagte, dass Menschen, die Sport und Diäten anfangen, nur um abzunehmen, in ein Outfit zu passen oder etwa bei einer Hochzeit gut auszusehen, wahrscheinlich scheitern würden. Der Grund war, dass dies als Motivation nicht ausreiche und die Ziele, zum Beispiel sich am Aussehen von Prominenten zu orientieren, oft nicht realisierbar seien. Wenn die einzige Motivation eine kleinere Kleidergröße ist, so die Studie, dann würden die Frauen oft so besessen davon, dass diese Haltung sie letztlich daran hindern würde, ihr Ziel zu erreichen.
Einerseits beunruhigte mich das. Ich ahnte schon, wie unehrenhaft meine Beweggründe waren.
Andererseits: Studie – Schmudie. Eine Yoga Bitch kann sich da auch durchatmen.
15
»In Los Angeles joggen die Menschen
zwei Stunden und denken dann,
sie hätten die Moral mit Löffeln gefressen.
Da bekomme ich Lust, Leute zu würgen, verstehen Sie?«
Liam Neeson
Weihnachten wäre ganz friedlich verlaufen, wenn sich meine Tante nicht verplappert hätte. Ich hätte es ja wissen müssen: Tante Ida war einfach nicht dazu geeignet, Geheimnisse für sich zu behalten. Meine Mutter war entsetzt angesichts meines Projekts, sie sah all ihre feministischen Grundsätze davonschwimmen, und mich stellte sie als Püppchen dar, das sich zu modellieren gedachte. Das Schlimmste war, dass sie mit der Ich-habe-als-Mutter-versagt-Nummer ankam, die so passiv-aggressiv und daher hart zu verkraften ist.
»Mama, bitte.«
»Kind, so habe ich dich doch nicht erzogen.«
»Aber nein, ich tue das alles nicht, weil ich unzufrieden mit mir wäre, bitte denk’ das nicht.«
»Warum denn sonst?«, fragte sie und schmiss die Serviette auf den Tisch. Der Rest der Gesellschaft verfolgte uns aufmerksam. So ein weihnachtlicher Streit kann durchaus amüsant sein, wenn man nicht daran beteiligt ist.
»Weil ich Lust habe gut auszusehen. Was ist denn falsch daran?«
»Schätzchen. Ist es, weil du immer noch Single bist?«
Nun war ich an der Reihe mit dem Serviettenwerfen. Es war aber auch eine dramatische Geste. Schade, dass man sie so schwer wiederholen konnte.
Ich sammelte mich und sagte: »Nein, es ist, weil ich deine Eitelkeit geerbt habe.«
Darauf fiel selbst ihr keine Antwort
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