Yoga und Vegetarismus
der Liebe zur Natur und auf dem Streben nach Glückseligkeit. Der Yogi versteht, dass es innerhalb des Wilden eine innewohnende Ordnung gibt und dass Freiheit durch den Segen der Göttlichen Mutter, Mutter Natur, entsteht. Shiva, von dem gesagt wird, er sei der erste Lehrer des Yoga gewesen, lebte als wilder Mann an der Seite der Tiere im Walde. Er wurde
Pashupati
genannt, das bedeutet „Beschützer der Tiere“. Man könnte sagen, dass Shiva der erste Natur- und Tierrechtsaktivist war.
Der Moralkodex der urbanen Gesellschaft fürchtet die Wildheit und macht uns glauben, sie sei chaotisch. In Wahrheit ist die Natur alles andere als chaotisch – sie operiert auf sehr ausgereifte Art und Weise.
Rituelle Tieropfer sind ein Produkt einer Kultur, die Tiere als Sklaven domestiziert hat, um sie auszubeuten. In Indien suchten die Yogis Zuflucht in den Wäldern, wo sie nahe der Natur leben und Distanz zu diesen grausamen Riten wahren konnten. Sie bevorzugten es, direkt mit dem Göttlichen in Kontakt zu treten. Yogis wurden als Ketzer betrachtet, da sie die Idee eines bezahlten Vermittlers ablehnten, der über den brennenden Körpern von geschlachteten Tieropfern Zaubersprüche aufsagte, um mit dem Göttlichen in Kontakt zu kommen. Im Buch
Gods of Love and Ecstasy: The Traditions of Shiva and Dionysus
bemerkt der Autor Alain Danielou: „Im Lauf der Geschichte stellten sich die urbanen und industriellen Gesellschaften – diese Ausbeuter und Zerstörer der natürlichen Welt – jedem ökologischen und mystischen Ansatz zur Freiheit des Menschen und dessen Glück entgegen.“ 35
Yoga ist eine tantrische Praxis – eine Verehrung Gottes in Form der Natur. Die yogischen Praktiken bringen uns wieder in Einklang mit den Naturgewalten, anstatt uns ihnen zu entfremden. Dem kulturellen Druck entgegengesetzt, der uns vorgibt, den Körper zu verachten und ihn als animalisch zu betrachten, ihn kleiden und zähmen zu müssen, ehrt der Yogi den physischen Körper als ein potenzielles Mittel, um direkt in die ekstatische, transzendentale Verbindung mit dem Göttlichen zu treten.
Heutzutage mögen wir denken, dass es kein Diebstahl sei, wenn wir Fleisch essen und Milch trinken, weil uns vorgemacht wird, dass Tiere wie Sklaven nur zu unserem Nutzen existieren und wir, sobald wir im Supermarkt oder Restaurant Geld dafür zahlen, ein Anrecht auf sie haben. In Wahrheit ist es so, dass die Tiere niemals eingewilligt haben, gekauft und verkauft zu werden. Aus selbstsüchtigen Gründen berauben wir sie ihres Lebens. Laut Patañjali ist dies alles andere als zuträglich für unser materielles, geistiges und spirituelles Wohlergehen. Genauso funktioniert Karma. Wenn wir stehlen, setzen wir das karmische Rad in einer Weise in Bewegung, die schreckliche Konsequenzen haben und unser zukünftiges Wohlbefinden beeinflusst wird.
Wenn jemand zu mir sagt: „Wenn Menschen sich entschließen, Fleisch zu essen, ist das doch ihre Sache. Wir sollten uns nicht einmischen, sondern tolerant sein und die jeweiligen Ernährungsvorlieben unterstützen“, muss ich darauf antworten, dass alles, was jeder Einzelne von uns tut, einen Einfluss auf die Gesamtheit hat. Wenn jemand Fleisch isst, hat das Auswirkungen auf alle, weil die Fleisch- und Milchindustrie schreckliche Spuren in der Umwelt hinterlässt. Durch den Verzehr von Fleisch stehlen wir zukünftigen Generationen, die in diese Welt hineingeboren werden, frisches Wasser und saubere Luft.
Auf einer Yogakonferenz aß ich einmal mit ein paar Kollegen zu Abend, als mir ein bestimmtes Essen gereicht wurde. Gerade als ich mit meinen Löffel eine Portion vom Teller genommen hatte, sagte jemand zu mir: „Oh, du wirst das wahrscheinlich nicht essen wollen. Es wurde mit Butter und Käse zubereitet.“ Eine Yogalehrerin, die neben mir saß, fragte: „Was? Du isst keine Milchprodukte? Das ist aber nicht sehr yogisch, oder? Was ist denn falsch an Milch? Man kann doch immer noch Vegetarier sein und Milch trinken, oder? Ist es nicht grausam, die Kühe nicht zu melken?“
Ich antwortete: „Milch ist eine Flüssigkeit, die aus den Eutern von weiblichen Kühen stammt, wenn sie schwanger sind oder gerade geboren haben. Die Milch, die der Körper produziert, ist für das Baby gedacht. Ich denke, es entspricht dem yogischen Prinzip der Güte
(Ahimsa)
und des Nicht-Stehlens
(Asteya)
, nicht von anderen zu nehmen, was nicht für dich bestimmt ist.“
„Aber“, fuhr meine Freundin fort, „Milch zu trinken ist doch
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