You are Mine
Natürlich Kools, direkt importiert aus den Staaten. »Vielleicht gehe ich mit. Dann haben wir jede Menge Spaß zusammen, machen eine Menge Dollar, ja?«
Ich lächle und nippe an meinem Kaffee. Was an diesem amerikabesessenen Mädchen geht mir so unter die Haut? Sie ist nur ein weiterer kleiner Dealer mit dem Traum, irgendwann irgendwas anderes zu machen. Schreibt ihre dummen Lieder und spielt ihre abgegriffene Gitarre vor Cafébesuchern, die sich nicht mal die Mühe geben, so zu tun, als würde es sie interessieren. Aber ich mag sie. Und mehr als das. Sie ist lustig und klug und süß, und wenn ich mit ihr zusammen bin, fühle ich mich offen. Ich fühle mich leicht.
Aber: »Ich will nicht nach Amerika, Heike.«
»O doch, du willst. In Amerika ist es anders. In Amerika gibt es keinen Dory.«
»Überall gibt es Dorys. Sie sind wie Schimmelpilze.«
Heike lacht und greift nach der nächsten Zigarette. Als sie sie an ihren Mund hebt und anzündet, versuche ich, mir nicht vorzustellen, wie es wäre, meine Finger zwischen diese Lippen zu schieben, zu fühlen, wie ihre Zunge meine Haut berührt.
Sie sucht meinen Blick. »Du und ich in Amerika. Denk nach, Madigan, wie wunderbar es sein wird.«
ba-dum ba-dum ba-dum
Es tut weh, sie so zitternd im Arm zu halten. Tut mehr weh als alles seit meiner Mutter. Ich küsse ihre nackte Schulter. »Heike, Baby, es ist okay. Ich verspreche, es wird alles gut.«
Sie schüttelt den Kopf. »Sie hassen mich. Sie hören mich nicht.«
»Sie werden dich hören, gib ihnen einfach Zeit.«
Ich lüge, und das tut auch weh, aber mehr kann ich nicht tun. Drei Monate in Seattle und der beste Gig, der ihr angeboten wurde, war in einer Coverband mitzuspielen. Niemand interessiert sich für ihre Musik und niemand will sich der Band anschließen, die sie ins Leben rufen will. Niemand versteht, beharrt sie. Niemand hört .
»Lass uns abhauen«, flüstere ich. »Wir können nach New York, dort neu anfangen. In New York werden sie dich lieben.«
Heike schüttelt den Kopf. »Niemand liebt mich.«
Ich weiß, was sie hören will, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken. Sie fühlen sich gefährlich an. Ich kann Heike anlügen, aber ihr die Wahrheit zu sagen macht mir Angst.
In dem Schweigen versteift sich ihr Körper und sie löst sich von mir.
ba-dum ba-dum ba-dum
Heike wedelt wieder mit dem Flugticket vor meiner Nase herum. Berlin, einfacher Flug, Business-Class. Mit diesem kleinen Anfall dürfte sie meine Kreditkarte ans Limit getrieben haben.
»Wir sind erst seit einem Monat in New York«, blaffe ich. »Was hast du erwartet? Dass jemand mit einem roten Teppich unter dem einen und einem Plattenvertrag unter dem anderen Arm an deine Tür klopft?«
»Du bist nach New York gekommen, ich wollte nicht nach New York.«
»Du wolltest Amerika. Sieh dich um, Heike. Besser wird es für dich nie werden.«
Ich bin nicht wütend, weil sie die Kreditkarte benutzt hat – der Vater-Fond wird die Summe am Ende des Monats ausgleichen –, sondern weil sie es hinter meinem Rücken getan hat. Ihre Entscheidung getroffen hat, ihr Ticket gekauft hat. Alles ohne mich.
Sie fängt an zu weinen.
»Heike, Baby.« Ein Teil von mir steht immer kurz vor dem Schmelzen, wenn sie um mich ist, und ihre Tränen reichen aus, um mich zu erweichen. »Bleib hier bei mir. Wir ändern das Datum auf deinem Ticket und nächsten Monat, wenn …«
»Ich gehe nach Hause«, sagt sie. »Ich hasse dieses Land, es ist eine Lüge, ein Lügner. Und du auch, Madigan, auch du bist eine Lüge. Du liebst mich nicht, ich bin für dich wie Dory. Du benutzt uns beide.«
»Heike, ich werde mit dir zurück nach Berlin kommen, das verspreche ich.«
Sie schnaubt abfällig. »Dein Versprechen ist Quatsch, stinkender Quatsch, Scheiße , eine Lüge. Du bist eine Lüge.«
»Und du eine Heuchlerin. Redest davon, andere zu benutzen. Seitdem wir hier angekommen sind, lebst du auf meine Kosten. Wer hat die neue Gitarre bezahlt, Heike, wer hat dieses Ticket bezahlt, du undankbares Miststück?«
Sie kneift die Augen zusammen. »Du glaubst, ich rede über Geld? Geld ist nichts, weniger als nichts.«
»Was der Grund ist, warum du nichts zurückzahlen wirst, nehme ich an.«
Es ist ein absolut harter Schlag und trifft ihren Stolz. Aber in mir kocht so viel Wut und Schmerz, dass ich nicht weiß, was ich sonst damit anfangen soll. Selbst als Heike die Zähne zusammenbeißt und meine Hand packt, selbst als sie ihre kantig geschnittenen Fingernägel in
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