You are Mine
untertauchen. Ich will dich hier nie wieder sehen und auch an keinem anderen Ort. Ich will niemals auch nur wieder von dir hören, hast du das verstanden?«
Joaquin windet sich, versucht es mit einem Lächeln. »Diese Scheiße hast du schon früher gesagt, Mann, du …«
Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ziehe ich die Klinge gerade über eine Seite seines Gesichtes. Eine geschmeidige, flüssige Bewegung und fest genug, dass Blut aus der Wunde quillt. Der Junge jault auf, mehr vor Schock als vor Schmerz, und ich stoße ihn heftig von mir, beobachte, wie er erst gegen die Wand knallt, dann stolpert und wie betäubt zu Boden sinkt, eine Hand an seine blutende Wunde gepresst, den Mund erstaunt aufgerissen. Ich beuge mich vor, packe Joaquins Hemd, zerre ihn auf die Beine. Er schlägt mit der freien Hand nach mir, so lächerliche Schläge mit der offenen Hand, dass ich lachen will – ist das das Beste, das du hinkriegst? –, aber in seinen Augen stehen Tränen, Blut läuft über sein Gesicht, als wäre es eine schreckliche Maske, und plötzlich kann ich nichts Erheiterndes mehr an der Situation entdecken. Ich zerre ihn ins Badezimmer, schubse ihn Richtung Waschbecken.
»Mach dich sauber und verschwinde. Wenn ich dich noch mal sehe, wird von deinem Gesicht nichts übrig bleiben.«
»F-fick dich.« Trotzig, bis ich einen Schritt auf ihn zumache, dann schreit er wieder auf und drückt sich gegen das Waschbecken, die blutigen Hände zitternd erhoben. Der Gestank von Urin steigt auf.
Bin ich zu weit gegangen? Zu heftig gewesen? Nein, denn er muss sich fernhalten, diesmal wirklich.
»Ich meine es ernst, Joaquin. Egal, was passiert, egal, ob ich wieder Kontakt aufnehme, egal, was ich dir erzähle. Halte dich einfach von mir fern, in Ordnung? Ich bin momentan nicht ganz ich selbst, ich bin nicht … ich kann nicht verantwortlich sein für das, was ich vielleicht tue. Verstanden?«
Joaquin schluckt schwer und nickt. »Ja, was auch immer, okay.«
»Ich hoffe es. Ich hoffe es wirklich.«
Ich sitze auf meinem Bett und lausche, wie Joaquin sich im Bad bewegt, mit Wasser plätschert, sich schnäuzt und vor sich hin murmelt; vielleicht redet er auch mit mir. Das Messer liegt immer noch in meiner Hand und auf der Klinge trocknet Blut. Ich packe mir ein T -Shirt vom Boden, wische das Messer ab und poliere es, bis der Stahl glänzt. Meine Finger zittern – Adrenalin, Schock, vielleicht sogar Vorfreude – und ich bemühe mich, nicht zu lachen. Es ist verrückt, die gesamte Situation ist verrückt wie ein Fiebertraum oder eine Halluzination, wie ein zweitklassiger Gangsterfilm, und welche Rolle spiele ich darin? Pate oder Handlanger?
Joaquin huscht zurück in den Raum, vorsichtig wie eine Katze, mit einer gemurmelten Erklärung, dass er seine Stiefel holen muss. Er drückt sich einen Waschlappen an die Wange, Blut sickert hindurch und verwandelt das helle Gelb in ein hässliches, rostiges Orange.
»Du solltest das anschauen lassen«, erkläre ich ihm. »Muss vielleicht genäht werden.«
Der Junge sammelt seine Stiefel und ein schwarzes Samthemd vom Boden am Fußende des Bettes auf und drückt alles eng an die Brust. An der Tür zögert er, die Unterlippe zwischen die Zähne geklemmt, als wolle er noch etwas sagen, einen griffigen Spruch zum Abschied oder etwas, um sein Gesicht zu retten, aber ich drehe das Messer vielsagend in den Händen. »Geh einfach.« Und das tut er.
Sekunden später knallt die Tür zu.
Ich schließe die Augen, lasse mich aufs Bett zurückfallen, während meine Finger die glatte, warme Klinge streicheln. Ein unglaublich beruhigendes Gefühl. Vorsichtig suche ich in mir nach Madigan, weil ich sie weder stören noch beunruhigen will, und ziehe mich zurück, sobald ich das vertraute, dauerhafte Gefühl ihrer Anwesenheit spüre. Sie ist da, aber sehr, sehr tief. In nächster Zeit wird sie nicht herauskommen und das ist gut, besser als gut. Denn das würde nur eine Diskussion über Joaquin bedeuten und ich habe keine Zeit, keine Energie zu verschwenden.
Ich sollte herausfinden, was sie sonst noch getan hat, während ich weg war, sollte meine Haut Stück für Stück nach Narben oder anderen verfänglichen Zeichen absuchen, sollte das Haus durchsuchen, rausfinden, was fehlt und was neu ist. Aber was soll’s? Ich kann nichts ändern oder in seinen Ursprungszustand zurückversetzen und jetzt geht es nur noch vorwärts, das ist meine einzige Möglichkeit. Entweder ich nutze sie oder ich
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