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You are Mine

You are Mine

Titel: You are Mine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirstyn McDermott
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lümmelt und mit fast ausgeschalteter Lautstärke eine DVD schaut; irgendein düsteres, französisches Drama, von dem ich mir nicht vorstellen kann, dass ich es je sehen wollte und mich noch weniger daran erinnere, es aus der Videothek mitgenommen zu haben. Ein weiteres kleines Mysterium, das ich meiner wachsenden Sammlung hinzufügen kann.
    »Wie lang geht das schon so?«, fragt Ruth.
    Ich schüttle den Kopf, weil ich keine Antwort darauf habe. Denn wie soll man Zeit beziffern, besonders vertane oder verlorene Zeit, wie soll man die Sekunden und Minuten und Stunden zu einer nahtlosen Bilanz von allem zusammenfassen, was man gesagt und getan hat? Rückblickend gesehen, wie kann irgendwer sich sicher sein, dass man in jedem Moment seines wachen Lebens absolut bei Bewusstsein war? Es ist ja sogar unmöglich, den Unterschied zwischen Schlaf und Blackout zu benennen, zwischen halb erinnerten Träumen und versteckten Erinnerungen.
    Und wenn ich nicht geschlafen habe, was zur Hölle habe ich dann getrieben?
    »Es gibt ein paar Dinge, die mir aufgefallen sind«, erkläre ich Ruth. Belanglose Dinge, aber jetzt, wo ich aufgewacht bin und wirklich nach Beweisen suche, beängstigend offensichtlich. Wie der seltsame Film, den Joaquin sich ansieht, ab und zu dreckiges Geschirr in der Spüle, das ich mir nicht erklären kann, oder halbgegessenes Essen im Kühlschrank, von dem ich mir sicher bin, es nie angerührt zu haben. Manchmal ist die Bettwäsche plötzlich frisch gereinigt und gewechselt. Solche Dinge.
    Ruth wirkt ungläubig. »Wie kannst du so was nicht bemerkt haben? Ich finde, das ist ziemlich offensichtlich.«
    Ich versuche zu erklären, dass ich es sehr wohl bemerkt habe, nur ohne es wirklich zu bemerken , wenn das auch nur im Mindesten Sinn ergibt. Es ist, als läge ein Belag auf meinem Geist, irgendeine Membran, die verhindert, dass ich solche Anomalien wirklich verarbeite, dass sie tief genug einsinken, um die Alarmglocken schrillen zu lassen – erst jetzt bin ich mir dieser Dinge wirklich bewusst, weil die Membran nicht mehr funktioniert. Sie ist abgerissen worden und stattdessen stehe ich vor einer beängstigenden Ansammlung von Rätseln und Seltsamkeiten.
    »Das ist nicht gut, Alex. Du musst zu jemandem gehen, zu einem Arzt.« Sie hält inne und sieht mich direkt an. »Vielleicht zu einem Psychiater.«
    »Du denkst, ich werde wahnsinnig?«
    »Nein!« Ihre Antwort kommt sofort und unmissverständlich. »Du leidest an Trauer und Schock und Erschöpfung, nicht an Wahnsinn. Das ist sowieso ein veralteter Begriff – Leute verfallen nicht mehr dem Wahnsinn, das ist viktorianisches Denken, um Himmels willen! Das ist ›Einer flog über das Kuckucksnest‹.« Ihre Hand liegt warm auf meiner. »Du bist nicht verrückter als ich.«
    »Danke für dein Vertrauen.«
    Das bewirkt ein Grinsen – touché – und einen leichten Schlag auf meinen Arm. Dann will sie wieder vollkommen ernst wissen, ob ich noch mal darüber nachgedacht habe, dass sie wieder einziehen könnte. Kein Druck, aber jetzt ist es wahrscheinlich besser, wenn ich nicht allein bin, nicht beim momentanen Stand der Dinge.
    Ich lächle. »Bewirbst du dich um den Job als Krankenschwester oder Babysitter, Ruth?« Aber unrecht hat sie nicht: Ich bin zu einsam geworden. Kein Wunder, dass ich aus den Fugen gerate.
    Ruth zieht eine Augenbraue hoch und wartet auf die Antwort.
    »Sicher«, meine ich. »Warum nicht?«
    »Okay. Das ist toll. Ich finde, das ist wirklich toll.«
    »Nur noch nicht sofort«, füge ich schnell hinzu. »Das Gästezimmer – dein altes Zimmer – ich muss es noch für dich ausräumen. Da drin hat sich ziemlich viel Dreck angesammelt.«
    »Madigan-Dreck?«
    »Ja, sie ist so plötzlich verschwunden, ich habe es noch nicht geschafft …«
    »Hör auf, Entschuldigungen für sie zu finden, Alex.« Aber sie lächelt. »Ich muss sowieso meine Kündigungsfrist einhalten. Reichen zwei Wochen?«
    »Ich nehme an, das kann ich schaffen.«
    »Gut, dann ist es abgemacht.« Sie wirft einen vielsagenden Blick Richtung Wohnzimmer. »Was ist mit …«
    Joaquin, die letzte Verbindung zu Madigan. Vielleicht habe ich mich deswegen mit ihm getroffen. Ein verräterischer Kampf zwischen meinem Unterbewusstsein und meinem wachen Selbst. Ersteres weigert sich, die Vergangenheit gehen zu lassen, das andere weiß nicht, was kommen wird.
    Und ich bleibe im Niemandsland dazwischen zurück.
    »Mach dir keine Sorgen«, sage ich und sehe Ruth dabei direkt in die Augen. »Er

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