Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
You are Mine

You are Mine

Titel: You are Mine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirstyn McDermott
Vom Netzwerk:
wird auch verschwunden sein.«

Kapitel 9

    Ich hätte mir von Ruth helfen lassen sollen. Von Ruth oder sogar von Joaquin, von irgendwem.
    Der Plan war einfach: Die bereits gepackten Kisten in mein Auto laden und zum nächsten Charity-Shop fahren, ihnen alles in den Schoß kippen und sie entscheiden lassen, was es wert ist, aufbewahrt zu werden und was nicht.
    Einfach, ja, abgesehen davon, dass nur wenig von dem Zeug sich tatsächlich noch in den Kisten befindet. Der Großteil liegt wild im Raum verteilt, zur Seite geworfen in einer scheinbar eiligen, planlosen Suche. Vielleicht von mir, obwohl ich glaube , seit Monaten nicht mal die Tür zu diesem Raum geöffnet zu haben, aber mein Gedächtnis ist im Moment nicht gerade sehr verlässlich.
    Alex Bishop, Mann voller Geheimnisse. Sogar für sich selbst.
    Aber vielleicht war es auch Joaquin, der während einer seiner Besuche nach Souvenirs gesucht hat. Er war seit der Beerdigung mindestens ein halbes Dutzend Mal da, hat er gesagt. Wie konnte ich mich daran nicht erinnern? Sein schmales Gesicht ist verzogen vor Schmerz, als ich ihn zur Tür führe. Wie kann ich mich nicht an ihn erinnern?
    Eigentlich eine faire Frage. Denn jetzt, während ich Madigan zum hoffentlich letzten Mal wegpacke, versinke ich in all dem, was ich nicht vergessen kann. Hier, das lockere blaue Shirt, das sie beim Malen getragen hat und das deshalb nach Terpentin riecht und ganz steif von der Ölfarbe ist. Es fehlen zwei Knöpfe und die Ärmel sind über die Ellbogen aufgerollt. Hier, ihr Schildpattkamm mit den breiten Zinken, um ihre dichten Haare zu bewältigen. Es hängt noch eine kastanienbraune Strähne darin.
    Und hier, o Gott, der dünne Gedichtband, den ich ihr zu unserem ersten Valentinstag geschenkt habe. Ich hatte ihre Finger dabei beobachtet, wie sie das Papier abrissen, und mich davor gefürchtet, dass sie mich auslacht, weil ich so sentimental bin. Stattdessen küsste sie mich, lang und sanft, dann rollte sie sich auf meinem Schoß zusammen und bat mich darum, ihr etwas vorzulesen – irgendwas, Lexi, es ist mir egal, ich will nur deine Stimme hören –, und ich tat es und stolperte durch Sappho und Shakespeare und Shelley, dabei lächelte sie und seufzte und schlief schließlich ein, während mein Bein unter ihrem Gewicht taub wurde. Ich bewegte mich nicht. Ich wollte mich nicht bewegen. Und obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, es seitdem noch einmal in ihren Händen gesehen zu haben, ist das Buch ziemlich zerlesen, die Seiten sind leicht verknickt und der Rücken ist aufgebogen, sodass es sich fast von selbst öffnet, um ein Gedicht von Keats freizugeben. An den Rand hat sie in dunkelroter Tinte meinen Namen geschrieben und die Buchstaben mit einem leicht schiefen Herz ummalt.
    Ich klappe den Band zu und lasse ihn in die nächststehende Kiste fallen.
    Es tut so weh und dauert so viel länger, als es sollte, dieses letzte Auf- und Ausräumen ihrer Sachen. Eine Art Exorzismus, überwacht bis zum Ende von ihrer grüblerischen alten Staffelei, meiner einstigen Erzfeindin, die jetzt zur unbehaglichen Vertrauten geworden ist. Weil keiner von uns am Ende gewonnen hat, wir beide verdrängt wurden von einem Geheimnis, das viel größer war als alles, was die Kunst oder die Liebe je aufbringen können. Ich lasse eine Hand über das dunkle, farbbefleckte Holz gleiten und meine Finger bleiben an etwas hängen – einem Kratzer? Ihren Initialen, die sie klein und wild in die obere rechte Ecke geschnitzt hat. MS . Ich kann förmlich sehen, wie sie die Buchstaben in einem Anfall künstlerischer Rage dort eingeritzt hat, das Holz mit ihrem Klappmesser bearbeitet hat.
    Nimm das und das und das.
    Um ihr Revier zu markieren, ihr Territorium abzustecken, ihr –
    Ihr Messer. Es sollte hier bei ihren restlichen Sachen sein, aber es ist nicht da. Ich denke angestrengt nach, versuche mich daran zu erinnern, wo es sein könnte, denn plötzlich scheint es mir wichtig. Ihr Messer mit der scharfen Klinge, wann habe ich es zum letzten Mal gesehen? Bei ihr, ja, triumphierend in ihrer blutbefleckten Hand, und auf die Erinnerung folgt das vertraute Ziehen …
    ∞
    »Sei nicht so ein Feigling.« Madigan wickelte sich die schwarzen Seidenschals fest um die Daumen. »Wo ist deine Abenteuerlust?«
    In letzter Zeit lief es zwischen uns besser, die Marionetten waren nicht so oft da und Madigan selbst um einiges öfter zu Hause. Sie schien auch ruhiger, vernünftiger, und ich gab mich der Hoffnung hin, dass Serge

Weitere Kostenlose Bücher