You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
Brüder – ich weiß nicht mehr, wer es war: „Und was machen wir, wenn er [ein Schütze] im Stadion auf uns wartet?“ Schon vor unserer Ankunft hatten wir uns gegenseitig derart hochgeschaukelt, dass wir uns ganz sicher waren, dass einer der 48.000 Fans auf uns schießen würde. Wir lachten, aber es war ein nervöses Lachen.
„Hey, Michael, du stehst ganz vorne! Du bist das beste Ziel!“, meinte Randy.
„So ist es, Michael“, bekräftigte Marlon. „Und was willst du machen?“
Michael schaute uns an, als wären wir Vollidioten. „Ich werde mich dauernd bewegen! Ich werde so viel und so schnell tanzen, dass es für ihn zu schwierig wird, mich …“
Das stimmte. Es war fast unmöglich, einen Blitz durch ein Fadenkreuz anzuvisieren!
„Warum sollte ich mir Sorgen machen?“, fragte er. „Ich bin nicht derjenige, der mit einer Gitarre immer auf derselben Stelle stehen muss!“
Ich sah in Titos Augen, und er blickte mich an. Plötzlich schien es so, als hätte Michael den sichersten Platz auf der Bühne. Gitarristen und Bassisten – ja, wir sind die unbeachteten Helden der Musikgeschichte.
Glücklicherweise mussten wir nicht ständig im Panzerwagen fahren und uns blaue Flecken am Hintern holen. Wir machten auch viele coole Erfahrungen. Bei der luxuriös ausgestatteten Tour wurde an nichts gespart – von den Lasern bis hin zu den Special Effects auf der Bühne. Trotzdem gestaltete sich nicht alles einfach. Durch die Größe der Produktion waren wir gezwungen, mit verschiedenen Privatjets zu fliegen. Michael flog mit seinem Team in einer Maschine, und wir hatten eine andere für uns und einen Teil der Band gemietet. Manchmal „kommandierte“ ich eine Flotte von sieben Privatfliegern, die meinem Freund Meshulam Riklis gehörten (einer der großzügigsten Menschen auf der Welt), da ich damals noch mit seiner Frau Pia Zadora arbeitete. Alles in allem war „Victory“ eine Bilderbuch-Tournee: überaus lohnenswert, verrückt, berauschend, spektakulär und voller erinnerungswürdiger Ereignisse.
In New York spielten sich unglaubliche Szenen ab. Man berichtete, dass die Stadt 1.000 Polizeibeamte für die Fans abgestellt habe, was wohl am besten die Dimensionen der Tour illustriert. Wir erfuhren von den Tour-Koordinatoren, dass die Midtown auf der Westseite hermetisch abgeriegelt wurde, als wir im Madison Square Garden auftraten – das sind die Geschichten, die man gerne den Kindern und Enkelkindern erzählt. Einige Tage zuvor waren wir im Giants Stadium in New Jersey aufgetreten. Wir wollten dort entsprechend ankommen und mieteten einen Chinook-Helikopter. Michael und ich gehörten in unseren besten Zeiten nicht unbedingt zu den entspanntesten Fluggästen. Leider gab es im Hubschrauber nicht genügend Sitzplätze, was die anderen aber ignorierten, und so drängelten sich alle auf dem Landeplatz. Die Manager, die Angehörigen der Security, Visagisten und Michaels Gast, Julian Lennon, wollten alle mitfliegen. Entgegen der offiziellen Berichterstattung wurde Julian von den anderen herzlichst begrüßt und problemlos im „Camp“ aufgenommen. Ein Passagier mehr oder weniger war jetzt auch egal. Auf dem Landeplatz dachte ich nur über diesen Irrsinn nach: Wir mussten uns doch nicht wie Sardinen in eine Dose quetschen, denn der Pilot konnte nach 20 Minuten ja zurückkommen, um eine zweite Gruppe abzuholen – und damit der Gefahr vorbeugen, auf dem Boden des Hudson River zu enden. Aber nein, alle wollten unbedingt zusammen fliegen.
Bemerkenswerterweise war Michael der Ruhigste, doch als der Helikopter mühsam vom Boden abhob und dann hin- und herschaukelte, ahnte ich, dass sich bald eine elektronische Stimme melden würde: „Zu viel Gewicht! Zu viel Gewicht! Abbrechen! Abbrechen!“ Der Hubschrauber setzte wieder auf, hob erneut ab und kam bedrohlich ins Schwanken. „Hier sind viel zu viele drin!“, rief ich
„Mach dich locker, wir fliegen stilvoll“, sagte Michael mit einem Lachen.
Seit unseren Tagen in Mobile, Alabama, hatte sich wirklich einiges geändert. Es war früher Abend, kurz vor Einsetzen der Dämmerung, und ich malte mir die Schlagzeilen in pinker Farbe am Himmel aus. „JACKSONS BEI TRAGISCHEM HUBSCHRAUBERABSTURZ AUSGELÖSCHT.“ Und dann flogen wir über das Giants-Stadion hinweg und hörten die uns entgegengebrachte Begeisterung. Wir blickten in die gigantische Schüssel, vollgestopft mit Zuschauern, die auf uns warteten und zum Himmel schauten – kleine Punkte in einem riesigen Meer.
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