You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
außerhalb Neverlands immer gegen Angriffe zur Wehr setzen musste. Doch Michael machte seine kleinen Siege nicht publik und verschwieg einen anderen Ort auf dieser Erde, von dem niemand etwas wusste.
Von Beginn der Neunziger an besuchte Michael in L.A. häufig den Santa Monica Airport, doch nicht um einen Flug zu erwischen – dort fand er Schutz vor der Außenwelt. Während Fluglehrer mit ihren Schülern in Bonanzas abhoben und verschiedene Limousinen ihre VIP-Kunden bei wartenden Gulfstreams absetzten, schlüpfte ein Mann mit einer Baseball-Kappe zwischen ihnen hindurch und ging zu einem unscheinbaren Hangar, nicht weit von der Startbahn entfernt. Nachdem Michael das gigantische Tor verschlossen hatte, konnte er sich vollkommen entspannen. Er befand sich nun in seinem geheimen, fensterlosen Bunker, für alle unauffindbar. Er suchte den Ort nicht auf, um zu singen, zu tanzen oder zu proben – sondern um zu malen! Er eröffnete ihm einen Freiraum für die Kunst. Der australische Maler Brett Livingston-Strong, dem Michael zuvor den Auftrag für einige Porträts gegeben hatte, war auf den Hangar gestoßen. Die beiden verschwanden dort stundenlang. Michael verriet mir, dass er das Versteck für die Kunsttherapie benötigte, die es ihm erlaubte, „dem Wahnsinn zu entfliehen und einen klaren Kopf zu bekommen“.
Als Michaels Kunstobjekte 2011 zum ersten Mal ausgestellt wurden, erfuhr die Welt von dem Refugium. Ich glaube, dass bis zu diesem Zeitpunkt niemand etwas von seinem Talent als Maler wusste. Für ihn war es das reinste Vergnügen, mit Wasserfarben zu experimentieren und Bleistiftskizzen zu schaffen. Er entwarf sogar seine eigenen Möbel – natürlich mit der Lieblingszahl „7“ als besonderem Detail. Michael wünschte sich, dass man diese unschätzbar wertvolle Sammlung in dem Hangar aufbewahrte, damit sie nicht mit ihm in Zusammenhang gebracht werden konnte und weil sie entweder unter Anleitung von oder sogar gemeinsam mit Brett entstand.
Ich besuchte die ehemalige Flugzeughalle nach seinem Tod. Die ungerahmten Bilder standen dort immer noch in einem Kreis um die Arbeitstische in der Mitte herum. In den Ecken fand ich verschiedenste Malutensilien und Arbeitsgeräte. Insgesamt hatte Michael vielleicht 50 Objekte geschaffen. Als ich dort stand und mir vorstellte, wie er sich von der Welt zurückgezogen hatte und ganz in seiner Arbeit aufging, musste ich lächeln. Menschenskind, du hast es weit gebracht – von einem Jungen, der Farbe auf Diana Ross’ Teppich verschüttete, bis zu einem wirklichen Malkünstler.
Als Familie wussten wir, dass Michael Freundschaften zu Kindern knüpfte. Wenn man ihn so gut kannte, war die Vorstellung, uns Sorgen machen zu müssen, mehr als lächerlich.
Ich weiß von zwei Kindern, denen er Zugang zu seinem Leben gewährte. Dave Rothenburg hatte sich den Namen „Dave Dave“ zugelegt, um die Verbindung zu seinem Vater durch den Nachnamen zu kaschieren, da dieser das Hotelzimmer und das Bett, in dem Dave schlief, anzündete, was zu Hautverbrennungen in der Größenordnung von 80 Prozent führte, die seinen Körper und das Gesicht lebenslang verunstalteten. Der arme Junge war damals erst sechs Jahre alt. Voller Eloquenz sprach Dave Dave bei der Trauerfeier meines Bruders: „Michael trat in Kontakt zu mir, bot mir seine Freundschaft an und drückte mich beim ersten Treffen ganz fest – und während meines ganzen Lebens ließ er nie wieder los und bot mir permanente emotionale Unterstützung.“
Ryan White stammte auch aus dem Bundesstaat Indiana und hatte sich bei einer Bluttransfusion mit Aids infiziert. Er wurde 1989 nach Neverland eingeladen. Seine Mutter Jeanne hielt sich einige Zeit auf dem Anwesen auf, bevor sie ihrem Sohn erlaubte, die Wochenenden allein dort zu verbringen. Michael mochte Ryan, da dieser ihn nicht wie einen Popstar behandelte – und Ryan mochte Michael, da er mit ihm wie mit einem ganz normalen Menschen umging und nicht wie mit einen Aids-Patienten. Als Ryan erkrankte, kümmerte sich mein Bruder wie ein professioneller Pfleger um ihn. Michael war am Boden zerstört, als Ryan 1990 verstarb. Er widmete ihm das Stück „Gone Too Soon“.
Doch nicht nur kranke Kinder hielten sich auf Neverland auf. Michael mochte es, von seinen Nichten und Neffen umgeben zu sein. Zugleich zogen ihn andere Kinderstars an, und so stand er in Kontakt zu Jimmy Safechuck, Emmanuel Lewis und Macaulay „Mac“ Culkin, die seine Freunde wurden. Dann gab es noch diesen
Weitere Kostenlose Bücher