You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
Februar 2002 geboren. Doch Debbie war nicht seine Mutter, denn sie hatte drei Jahre zuvor um die Scheidung gebeten. Ich weiß nicht viel über die Trennung, denke aber, dass sie nicht sonderlich schmerzhaft war. Die beiden hatten niemals zusammengelebt, nie das Leben eines normalen Paares geführt, sondern verhielten sich eher gemäß dem Arrangement. Doch Michael wünschte sich mehr Kinder, und so wurde „Blanket“ durch eine künstliche Befruchtung bei einer anonymen Leihmutter gezeugt. Niemand weiß, wer sie ist, noch nicht einmal unsere Familie. Dass diese Frau ihre Privatsphäre schützt, finde ich wunderbar, denn Michael konnte sich so sicher sein, dass sein Leben nicht schon wieder bis auf das kleinste Detail durchleuchtet wurde. Diese kleinen Siege hatte er sich in seinem Privatleben wirklich verdient.
„Blanket“ wurde im Alter von neun Monaten unbeabsichtigt zu einer Berühmtheit. Michael stand auf dem Balkon seines Berliner Hotels, hatte ein Laken über den Kopf des Babys gelegt und hielt es ganz kurz über das Geländer, insgesamt weniger als fünf Sekunden. Das Ganze sollte seine Verspieltheit zeigen, doch was folgte, war ein Sturm der Entrüstung. Plötzlich erschienen in L.A. Berichte über Michael als leichtsinnigen Vater, der das Leben seines Sohnes riskierte, indem er ihn vom Balkon baumeln ließ. Das Wort „baumeln“ – in einem Wörterbuch definiert als „so frei hängen, dass man frei schaukeln kann“ –, war in aller Munde. Das klang so, als hätte das arme Kind unter Lebensgefahr an einem ausgefransten Strick gehangen. In Wahrheit aber hielt Michael „Blanket“ zu jeder Zeit fest umklammert und hatte einen Arm um seine Brust gelegt und mit der anderen das Tuch festgehalten. Ich behaupte nicht, dass es nicht leichtsinnig und dumm war – er sah das auch ein –, doch man riss die kurze Episode aus dem Zusammenhang und blies sie auf. Dann wurde auch noch darüber geredet, dass das Jugendamt eingeschaltet worden sei und die Berliner Polizei ihn wegen Vernachlässigung verhöre.
Michael veröffentlichte zwar eine Entschuldigung, in der er seinen „schrecklichen Fehler“ zugab, doch tobte im Privaten. „Ich war stolz [als Vater]. Ich habe einfach nicht nachgedacht, wusste aber, dass ich ihn ganz festhielt. Doch die verfolgten mich, als hätte ich eine Pistole an Blankets Kopf gehalten!“, verriet er mir. Schließlich ebbte das Medieninteresse ab, und ich tröstete ihn: „Sei bloß froh, dass die Presse nicht weiß, wie vergesslich du bist!“ Er lachte, denn wir erinnerten uns beide an ein bestimmtes lustiges Intermezzo.
Michael war wahrscheinlich der vergesslichste Mensch, den ich je gekannt habe, denn als Künstler stand bei ihm die Kreativität an erster Stelle. An einem Familientag in Hayvenhurst brachte er Prince, Paris und den kleinen „Blanket“ mit, der noch Windeln trug und in einem Kinderwagen lag. Am Ende des Tages lud der Chauffeur alles in den Kofferraum und die Kinder setzten sich in den Wagen. Wir standen alle auf der Treppe, Michael lächelte überglücklich und winkte aus dem Fenster, als sie davon fuhren. Wir wussten, was er vergessen hatte, auch wenn es ihm noch nicht aufgefallen war. Wie lange würde es dauern, bis er es merkte?
Wir warteten und warteten. Ungefähr fünf Minuten später sahen wir den Wagen durch die Einfahrt rasen. Die Tür flog auf, und Michael sprang aus dem Wagen. Er wirkte peinlich berührt, hielt die Hand vor den Mund und flitzte, von uns angefeuert, schnell ins Haus. „Oh, ich habe Blanket vergessen.“
Die Vaterrolle stellte für Michael das letzte fehlende Element zum privaten Glück dar. Egal, was auch immer in der Außenwelt geschah, sein ganzes Glück – die ständige Erinnerung an das, was wirklich wichtig im Leben war – richtete sich nun auf Prince, Paris und „Blanket“. Sie machten ihm eine unglaubliche Freude, erlösten ihn von der Einsamkeit und verliehen seinem Leben einen Sinn fernab der Musik.
Sein Verhalten als Vater kann als gutes, ja sogar ideales Beispiel beschrieben werden. Er gab die Liebe an sie weiter, die Mutter uns geschenkt hatte, und gab ihnen ein Beispiel emotionaler Männlichkeit, die unserer Vater uns nicht bieten konnte, obwohl das nicht seine Schuld war. Michael übernahm gleichzeitig die Vater- und die Mutterrolle, und er nahm diese Doppelrolle sehr ernst. Das bedeutete aber lange noch nicht, dass er hart durchgriff. Er konnte autoritär werden, ohne physische Dominanz zu zeigen. Ich erinnere
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