Young Jedi Knights 01 - Die Hüter der Macht
hegte die vage Hoffnung, vielleicht jemanden aufschreien zu hören. Immerhin hätte er dann wenigstens gewusst, wo die Schlange untergekrochen war.
Sie arbeiteten sich von Raum zu Raum. Wieder und wieder tasteten Jacens Hände über das Holz der geschlossenen Türen, doch an keiner konnte er ein prickelndes Echo auffangen, das auf sein entflohenes Haustier hingedeutet hätte.
Erst als sie vor Raynars halb geöffneter Tür anlangten, registrierten sie sofort etwas Außergewöhnliches. Die Zwillinge lugten hinein und erblickten den ausgestreckt auf den polierten Bodenfliesen liegenden Jungen.
Raynar trug ein feines Gewand aus purpurfarbenem, goldenem und scharlachrotem Tuch – die Farben seiner vornehmen Familie. Trotz einiger behutsamer Anspielungen Onkel Lukes legte Raynar seine kostbare Kleidung so gut wie niemals ab. In einem der eintönigen, aber bequemen Anzüge der Jedi-Schüler war er jedenfalls noch nie gesichtet worden.
Raynars verstrubbeltes Blondhaar glitzerte wie Goldstaub im Licht der Morgensonne, die durch die Fensterschlitze ins Zimmer strömte. Seine geröteten Wangen blähten sich und sanken wieder ein, während er in unbequemer Lage leise auf den kalten Platten des Steinbodens schnarchte.
»Oh, verdammt!«, fluchte Jacen. »Ich schätze, wir sind fündig geworden.«
Jacen ging voraus. Jaina folgte ihm und ließ die Tür hinter sich zugleiten. Dann stellte sie sich so neben den verbleibenden Spalt, dass die Schlange nicht an ihr vorbeischlüpfen konnte.
Jacen kniete neben dem Schlafenden und hob behutsam dessen geschlossene Augenlider. Dann spreizte er die Finger, dass die Gelenke knackten, und ließ seinen Gedanken freien Lauf. Er versetzte sich in die Gedankenwelt einer Schlange. Wie üblich nahm er durch die Macht viele Einflüsse gleichzeitig wahr, doch er versuchte, seine Konzentration dorthin zu bündeln, wo die Schlange lag.
Er empfing eine dünnen, trägen Fluss von Gedanken, einen leicht zufrieden zu stellenden Geist, der sich augenblicklich wohl und sicher fühlte. Die einzigen Gedanken waren warm, warm… schlafen, schlafen… und Ruhe…
Die zusammengerollte Kristallschlange döste in den Falten von Raynars purpurnem Untergewand.
»Hierher, Jaina«, flüsterte Jacen.
Sie verließ ihren Posten an der Tür und kam zu ihm. Als sie in die Knie ging, raschelte der Stoff ihres fleckigen Overalls wie eine weitere Schlange.
»Stimmt meine Vermutung, dass sie es sich genau unter Raynars Körper bequem gemacht hat?«
Jacen nickte. »Dort, wo es am wärmsten ist.«
»Mist!«, fluchte Jaina. »Das macht es nicht gerade einfacher.« Sie schien einen Moment nachzudenken. »Ich könnte versuchen, ihn umzudrehen, und du schnappst dir die Schlange.«
»Nein, das könnte sie zu einer Affekthandlung hinreißen«, lehnte Jacen ab. »Sie würde Raynar vielleicht noch einmal beißen.«
Jaina schauderte. »Es würde ihn eine ganze Woche Unterricht kosten.«
»Richtig.« Jacen nickte. »Aber Onkel Luke könnte wenigstens einmal eine Vorlesung hinter sich bringen, ohne von Raynars nerviger Fragerei unterbrochen zu werden!«
Jaina kicherte. »Dem kann ich nicht widersprechen.«
Jacen tastete mit seinem Geist nach der zusammengerollten Schlange, spürte, wie friedlich sie ruhte.
Plötzlich, als hätte er sie über sich reden gehört, grunzte Raynar im Schlaf und streckte sich.
Der Schlangenkörper spannte sich an, und Jacen sandte sofort beruhigende Signale aus, ähnlich den Entspannungstechniken, die er bei seinem Onkel gelernt hatte. Er schickte friedfertige, einlullende Gedanken, die nicht nur die Schlange, sondern auch Raynar beruhigten.
»Wenn wir uns kurzschließen, können wir unsere Jedi-Macht nutzen, um Raynar behutsam in die Schwebe zu bringen«, schlug Jacen vor. »Anschließend werde ich die Schlange unter ihm hervorziehen.«
»Worauf warten wir noch?« Jaina musterte ihren Bruder mit gehobenen Brauen.
Dann schlossen die Zwillinge gemeinsam ihre Augen.
Sie berührten den Saum von Raynars farbigem Gewand mit den Fingerspitzen, während sie sich vorstellten, wie leicht dieser Junge sein könnte… Dass er kaum mehr als eine in die Luft gewehte Feder wiege… Dass er überhaupt kein Gewicht besäße, und sie ihn emporsteigen ließen…
Jacen hielt den Atem an, als der leise schnarchende Jedi-Student sich langsam vom gefliesten Boden löste. Raynars weite Gewänder fielen wie Vorhänge neben ihm herab und enthüllten die dösende Schlange.
Unvermittelt ihres warmen verborgenen
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