Young Jedi Knights 09 - Stimmen des Zorns
zu einer verspäteten Einsicht: Er hatte selbst nie gelernt, auf Leute zuzugehen, die er nicht kannte – weil die Leute gewöhnlich auf ihn zukamen, wenn sie sich mit ihm unterhalten wollten. In der Vergangenheit hatte Raynar versucht, sich das Verhandlungsgeschick seines Vaters anzueignen – Bornan Thul konnte mit Worten umgehen wie Master Skywalker mit seinem Lichtschwert, aber bedauerlicherweise hatte er sich mehr von den Konversationsfertigkeiten und der Gestik seines prahlerischen Onkels Tyko abgeschaut. Und obwohl auch seine anmutige Mutter die Offenheit im Umgang mit anderen Menschen meisterlich beherrschte, hatte sie es nicht geschafft, auch ihrem Sohn diese Fähigkeit zu vermitteln.
Während Raynar den Dschungelpfad entlangschritt, versuchte er fast schon verzweifelt, sich daran zu erinnern, was Aryn ihm bezüglich höflicher Umgangsformen beigebracht hatte. Ein bunter Schwarm von Käfern flog von einer Nebelorchidee auf, wo die Insekten Nahrung gesucht hatten. Lusa stieß angesichts des Farbenregens einen kleinen Freudenschrei aus.
Raynar drückte einen Zweig beiseite, der in den Weg gewachsen war, sodass Lusa ohne sich selbst einen Kratzer einzuhandeln weitergehen konnte, war aber zunächst nicht sicher, ob sie dies als nette Geste oder als Beleidigung auffassen würde. Aber sie schob sich an ihm vorbei und nickte ihm einen stillen Dank zu. Die Enden ihrer Kristallhörner funkelten und die harte Muskulatur ihrer zimtfarbenen Flanken schien ein wenig zu entspannen.
Ermutigt fragte Raynar: »Wofür empfindest du Bewunderung… ?« Er suchte nach einem neutraleren Begriff. »Ich meine, was genau erwartest du von einem Freund?« Er hoffte, dass ihre Antwort nicht so brüskierend ausfallen würde wie etwa: »Ich bevorzuge Nichtmenschen als Freunde!« Nach Möglichkeit wollte er sie nicht an die Allianz der Vergessenen erinnern, aber er hätte es schon als Fortschritt empfunden, wenn sie ihm überhaupt antwortete.
Zunächst blieb Lusa stumm. Schweigend schritten sie weiter durch ein Dickicht aus Blaublättern, so lange, bis sie auf eine kleine Lichtung neben einem rauschenden Fluss gelangten.
Raynar schlug den Weg stromaufwärts ein, während Lusa sich verspätet doch noch für eine Antwort entschied. »Loyalität«, sagte sie nachdenklich. »Pflichtbewusstsein. Einen tiefen Glauben und den Willen, für diesen Glauben einzutreten – das erwarte ich von einem Freund. Und außerdem Aufgeschlossenheit, die Bereitschaft, nach neuen Lösungen für alte Probleme zu suchen…« Sie hielt inne. »Ich denke, das waren auch die ausschlaggebenden Punkte, die mich zur Allianz der Vergessenen hinzogen.«
Raynar verkrampfte ein wenig bei der Erwähnung dieser politischen Bewegung. Früher war es ihm niemals bewusst gewesen, dass ihn jemand hassen und verfolgen könnte – nicht aus Gründen der Selbstüberschätzung oder wegen der harten Bandagen, mit denen seine Familie sich durchzusetzen gewohnt war, sondern einfach, weil er sich über solche Dinge keine Gedanken gemacht hatte.
»Hm, bis wir zum Wasserfall kommen, dauert es noch etwas.« Er hob den Arm und skizzierte den weiteren Verlauf des Weges, dabei streifte er Lusa aus Versehen. Instinktiv zuckte sie zurück und galoppierte stromaufwärts.
Bestürzt lief Raynar hinter ihr her. Aber erst neben dem grün funkelnden Teich unterhalb des Wasserfalls holte er das Zentaurenmädchen wieder ein. Lusa stand in Ufernähe mit den Vorderhufen im Wasser, betrachtete offenbar ihre eigene Spiegelung darin – und erschauerte.
»Es… tut mir Leid!«, brach es aus Raynar hervor. »Ich hatte nicht vor…«
»Schon gut«, unterbrach sie ihn. »Du hast nichts falsch gemacht. Master Skywalker hat ganz Recht: Ich habe es der Allianz zu lange gestattet, meine Gefühle und meinen Verstand bezüglich der Menschen zu vergiften, und jetzt muss ich den Hass, den ich gelehrt wurde, wieder verlernen. « Sie warf ihren Kopf in den Nacken und ihr Lächeln bat um Verzeihung. »Hab bitte Geduld mit mir. Ich fürchte, ich brauche ein Weile, um mich zu ändern…« Sie spähte sehnsüchtig zu dem Wasserfall, dann glitt ihr Blick zurück zu Raynar. »Hättest du etwas dagegen, wenn ich mich darunter stellen würde?«
Raynar konnte das demütigende Gefühl, dass das wunderschöne Mädchen die flüchtige Berührung als dermaßen abstoßend empfunden hatte, nicht vergessen, und so entschied er, das sie beide Zeit brauchten, um den Umgang miteinander zu lernen.
Er erklomm einen runden Felsen
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