Young Sherlock Holmes 1
Wenigkeit vorknöpfen. Und das ist etwas, was ich absolut nicht will. Jeder wird bezahlt. Fair und anständig, kapiert?«
Der Mann nickte zufriedengestellt. »In Ordnung.«
Sherlock drängte sich noch dichter an den Kistenstapel, als die Männer sich zerstreuten. Zwei stiegen auf den Wagen und zwei andere öffneten die beiden massiven Torflügel, damit der Wagen hinausfahren konnte. Clem hingegen blieb zurück, um die Leute zu beaufsichtigen, während Denny verloren in der Gegend herumstand. Der Mann, der den Wagen lenkte, schnalzte mit der Zunge und gab dem Pferd mit einer langen Gerte einen Klaps auf den Rücken. Immer noch Heu aus dem Nasenbeutel vor sich hinfutternd, setzte sich das Tier langsam in Bewegung.
Clem ging auf die großen Torflügel zu und störte sich nicht daran, dass die Öllaterne, die an seinem Gürtel hing, permanent gegen seinen Oberschenkel stieß. Ohne sich umzusehen, wies er mit dem Daumen nach hinten zu der Stelle, wo Sherlock sich versteckt hielt. »Schließ die Seitentür ab«, knurrte er. »Dann komm nach vorn zum Tor.«
Sherlock blieb vor Entsetzen das Herz stehen, als Denny auf sein Versteck zusteuerte. Wenn er um den Kistenstapel herumkam, würde er Sherlock zwangsläufig entdecken. Und wenn das geschah, war es um seine Überlebenschancen schlecht bestellt. Sherlock nahm eine andere Körperstellung ein und spannte die Muskeln an, bereit loszurennen. Könnte er es zur Seitentür schaffen, bevor Denny ihn erwischen würde? Sherlock war sich da nicht so sicher, aber noch weniger sicher war er, ob er überhaupt eine Alternative hatte.
Denny war nun fast auf gleicher Höhe mit dem Kistenstapel, und Sherlock kam in den Genuss des sauren Schweißgeruchs, den seine Kleidung verströmte. Sherlock warf rasch einen Blick auf Clem, um zu sehen, ob der korpulente Riese noch nahe genug war, um Denny eventuell dabei helfen zu können, ihn zu schnappen. Clem hatte jetzt fast das Eingangstor erreicht. Sherlock glitt schnell um den Stapel herum. Als Denny an den Kisten vorbeiging, rückte Sherlock noch einmal ein Stück weiter herum. Wenn Clem sich noch einmal umdrehte, bevor er aus dem Tor hinausging, würde er Sherlock sehen. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber er tat es nicht. Mit stockendem Atem beobachtete Sherlock, wie Clem draußen in der hellen Nachmittagssonne verschwand. Einen Augenblick später schwang der erste Torflügel langsam nach innen. Seine raue Holzunterkante schleifte durch den Dreck und die rostigen Angeln gaben ein nervenzerreißendes Quietschen von sich.
Sherlock blickte über den Kistenstapel hinweg. Denny hatte sich gerade davon überzeugt, dass die Tür, durch die Sherlock gekommen war, richtig geschlossen war. Nun machte er sich daran, die Riegel vorzuschieben. Niemand würde dann mehr von außen reinkommen können. Aber sobald Denny weg war, würde es kein Problem sein, die Riegel wieder rauszuziehen, die Tür zu öffnen und zu verschwinden.
Doch es sollte anders kommen. Denn Denny hob ein Vorhängeschloss vom Boden auf. Dann führte er den Bügel des Schlosses zunächst durch eine Öse am obersten Türriegel und anschließend durch einen Eisenring, der am Türrahmen angebracht war. Mit einem unmissverständlichen
Klick
rastete der Bügel im Schloss ein. Denny zog den Schlüssel aus dem Schloss und ließ ihn in seine Tasche gleiten. Daraufhin drehte er sich pfeifend um und ging durch die Scheune zum Tor zurück, während Sherlock wieder vorsichtig um den Stapel herumschlich, um nicht entdeckt zu werden.
Sherlock spürte, wie ihm das Herz bis zum Hals klopfte und seine Handflächen ganz feucht wurden. Er warf einen kurzen Blick über die Schulter zurück und musterte das Schloss. Es sah ziemlich stabil aus. Auf diesem Weg würde er nicht mehr herauskommen. Zumindest nicht schnell und ohne eine Menge Krach zu machen. Er würde eben einfach warten müssen, bis Denny und Clem verschwunden waren, vorsichtshalber noch fünf Minuten verstreichen lassen und dann auf demselben Weg hinausgehen, den die beiden Schurken genommen hatten.
Denny erreichte das Tor gerade in dem Moment, als der zweite Flügel nach innen schwang. Der Lichtstreifen, der draußen vom Hof hereinschien, wurde schmaler und schmaler, schrumpfte zu einem Balken, zu einer Linie und dann … Schwärze und ein dumpfer Rums, als sich die Torflügel endgültig schlossen.
Sherlock rutschte das Herz in die Hose und seine Stimmung wurde noch trüber als das Licht, als er einen
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