Young Sherlock Holmes 2
als leicht zu bugsieren, und während er sich mit ihm abplagte, brach Sherlock am ganzen Körper der Schweiß aus. Schließlich jedoch gelang es ihm, ihn zur Hälfte durch die Fensteröffnung zu schieben. Dann kletterte er mühsam über den Verrückten hinweg und zerrte ihn von innen herein.
Die ganze Zeit ließ ihn der Mann mit dem Revolver nicht eine Sekunde lang aus den Augen.
Plötzlich langten zwei Arme über Sherlocks Schultern und packten den schlaffen Körper.
»Von hier an übernehme ich«, verkündete eine schrille Stimme hinter Sherlock.
Überrascht wandte er den Kopf um. Ein vierter Mann stand dicht bei ihm. Er war klein und beleibt und hatte eine Glatze. Und ihm fehlte ein Teil des rechten Ohres.
Sherlock trat beiseite und machte ihm Platz. Der Glatzköpfige schleifte den Körper über den Flur zu einem anderen Zimmer hinüber, in dessen offenstehender Tür von außen ein Schlüssel steckte. Während der Mann den schlaffen Körper auf ein Bett hievte, registrierte Sherlock, dass der Raum tatsächlich mit Fenstergittern versehen war. Offensichtlich war dies das Zimmer des Irren.
Der dritte Mann – der korpulente mit den blonden Haaren – stand im Türrahmen und hielt immer noch den Revolver in der Hand.
»Wie geht’s Gilfillan?«, fragte er.
»Hat ’ne hässliche Platzwunde am Kopf«, erwiderte der kleine Glatzköpfige, der immer noch damit beschäftigt war, den Verrückten aufs Bett zu bugsieren. »Wird höllische Kopfschmerzen haben, wenn er aufwacht.« Anscheinend redeten sie von dem Ohnmächtigen, der im Erdgeschoss gelegen hatte. »Aber ich denke, er wird so weit okay sein.« Er kicherte. »Hat ’nen dicken Schädel. Da muss man ihm schon ’nen viel härteren Schlag verpassen, um nennenswerten Schaden anzurichten.«
»Ich hätte durchaus Lust dazu«, knurrte der Korpulente. »Verdammter Idiot. Lässt sich von Booth einfach so überrumpeln. Er hätte den ganzen Plan vermasseln können. Dass Booth einfach so durch die Gegend läuft, hätte uns gerade noch gefehlt. Vor allem in seinem Zustand.«
Booth!
Sherlock versuchte sich nichts anmerken zu lassen, obwohl ihn in diesem Augenblick ein Gefühl der Zufriedenheit durchströmte. Der Mann war also
tatsächlich
John Wilkes Booth und nicht John St Helen.
Der korpulente Mann redete immer noch und wies mit der Waffe auf Sherlock. »Und wegen ihm haben wir jetzt auch noch einen Zeugen am Hals.«
Der Glatzkopf hielt in seinem Tun inne und blickte zum ersten Mal auf, um Sherlock anzusehen. »Was sollen wir mit ihm machen, Ives?«
Der korpulente Mann, der offensichtlich Ives hieß, zuckte die Achseln. »Ich glaube, wir haben keine große Wahl«, sagte er.
Der Glatzkopf wirkte plötzlich nervös. »Hör mal, er ist doch nur ein Kind. Können wir ihn nicht einfach, na ja … einfach gehen lassen?« Er wandte sich Sherlock zu. »Du hast nichts gesehen, oder, Kleiner?«
Sherlock setzte einen ängstlichen Gesichtsausdruck auf, was ihm nicht besonders schwerfiel. »Ehrenwort, Chef«, sagte er und legte dabei so viel Aufrichtigkeit in seine Stimme, wie er nur konnte. »Ich werd alles vergessen. Echt, ich versprech’s.«
Ives ignorierte ihn. »Wie sieht’s mit Booth aus?«
»Das Betäubungsmittel wirkt prima. Der wird für ein paar Stunden weg sein.«
Ives nickte. »Das gibt mir genug Zeit.«
»Genug Zeit wofür?«
Ives hob den Revolver und richtete ihn auf Sherlock. »Den Jungen umzulegen und seine Leiche loszuwerden. Regel Nummer eins: Lass niemals jemanden zurück, der dein Gesicht kennt.«
4
Ein Schauder durchfuhr Sherlock. Sie würden ihn beseitigen, ihn einfach wegschmeißen wie einen Sack alter Kartoffelschalen. Hektisch blickte er zwischen den beiden Männern hin und her. Er musste irgendwie entkommen, aber wie? Der Weg durch die Tür war von Ives blockiert. Seine Gedanken rasten.
»Bitte, Mister, ich hab nichts gesehen«, heulte er, in der Hoffnung etwas Zeit zu gewinnen.
»Spiel mir ja nicht den Unschuldigen, Söhnchen«, knurrte Ives. Er trat auf den Flur und gab Sherlock mit dem Revolver ein Zeichen, ihm zu folgen. »Hier entlang, aber dalli!« Dann blickte er noch einmal zu dem kleinen glatzköpfigen Mann hinüber, der vermutlich über so etwas wie eine medizinische Ausbildung verfügte, denn er schien sich mit Verletzungen und Geisteskrankheiten auszukennen. »Berle, du stellst sicher, dass Booth keinen weiteren Schaden anrichtet, und dann siehst du zu, dass du Gilfillan wieder auf die Beine bringst. Wir müssen abhauen.
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