Young Sherlock Holmes 2
Für meinen Geschmack treiben sich hier inzwischen einfach zu viele Leute herum, die etwas mitbekommen haben könnten. Und unser kleiner Freund ist garantiert nicht hier rumgeschlichen, weil er seinen Ball gesucht hat. Würde mich nicht wundern, wenn es wegen irgendeiner Mutprobe war oder weil er herumschnüffeln wollte.«
Sherlock trat auf den Flur hinaus. Er sah zu Berle zurück, der jedoch seinen Blick beharrlich mied. »Bitte, Mister, lassen Sie nicht zu, dass er mir was antut«, heulte Sherlock.
Aber Berle wandte sich wieder dem ohnmächtigen John Wilkes Booth zu. »Tut mir leid, Junge«, murmelte er. »Aber es steht zu viel auf dem Spiel. Wenn Ives sagt, dass du sterben musst, dann ist es eben so. Da mische ich mich nicht ein.« Er zögerte einen Moment, als sein Blick an einem gläsernen Gefäß auf dem Nachttisch hängenblieb. »Was ist mit diesem Ding?«, fragte er Ives.
»Was für ein Ding?«
Berle nahm den Glasbehälter in die Hand. Die Öffnung war mit einem Stück Musselinstoff bedeckt, das mit einer Schnur am Gefäßrand befestigt war. Sherlock konnte erkennen, dass – wahrscheinlich mit einem scharfen Messer – Löcher in den Stoff gepiekst worden waren. So etwas machten normalerweise kleine Kinder, um eine gefangene Raupe oder einen Käfer am Leben zu halten. Man bedeckte die Gefäßöffnung, damit die Tiere nicht entkommen konnten, stach aber ein paar Luftlöcher in die Abdeckung, so dass sie immer noch atmen konnten. Allerdings konnte er keine Insekten oder andere Kreaturen im Gefäß erkennen. Nur etwas Rotes, Glänzendes, das wie ein Stück Leber aussah oder wie ein riesiger Klumpen geronnenen Blutes.
Ives starrte voller Ekel auf das Ding. »Das nehmen wir mit«, sagte er. »Der Boss will es unbedingt haben. Er ist fast genauso scharf drauf wie auf Booth hier.«
Berle schüttelte zweifelnd das Glas. »Meinst du, das lebt noch?«
»Besser wär’s. Der Boss kann ziemlich ungemütlich werden, wenn man ihn enttäuscht. Dieses Ding von Borneo hierherzubringen war ganz schön aufwendig.« Besorgt legte er die Stirn in Falten. »Ich hab gehört, dass einer seiner Diener mal ’ne Karaffe mit Mint Julep auf der Veranda fallen gelassen hat. Das ist sein Lieblings-Cocktail. Duke hat ihn nur angestarrt, ohne ein Wort zu sagen. Da hat der Diener erst angefangen zu zittern, und dann ist er rückwärts in den Garten zurückgewichen, bis zur Grenze am Flussufer. Die ganze Zeit war er wie wild am Zittern und Heulen. Und dann ist er rückwärts in den Fluss marschiert, und weg war er. Als wäre er hypnotisiert gewesen. Ist nie wieder aufgetaucht. Duke hat mal erzählt, dass es Alligatoren im Fluss gibt. Aber keine Ahnung, ob das stimmt.«
Berle blickte skeptisch drein. »Hätte eher gedacht, dass er eine der beiden angeleinten Bestien einsetzt. Sind das nicht seine Lieblingskiller?«
»Vielleicht war ihm einfach nicht danach. Oder womöglich hatten die Biester gerade mal keinen Hunger.« Ives schüttelte den Kopf. »Ist ja auch egal. Jedenfalls nehmen wir das Ding mit.«
Er stieß Sherlock mit dem Revolverlauf über den Flur auf die Treppe zu.
»Was werden Sie mit mir machen?«, fragte Sherlock.
»Kann dir leider keine Kugel verpassen«, überlegte Ives. »Es sei denn, du lässt mir keine andere Wahl. Aber wenn eine Kinderleiche mit einer Kugel im Körper gefunden wird, wird es Ermittlungen geben. Und ein Haus mit vier Ausländern wird die Polizei wahrscheinlich als Erstes im Visier haben. Könnte dir eine Überdosis Betäubungsmittel verpassen, aber das wäre wahrscheinlich reine Verschwendung. Und bei der Menge, die Booth braucht, werden wir nichts von Berles Vorräten entbehren können. Nein, ich denke, ich stopfe dir einfach so lange ein Taschentuch ins Maul, bis du erstickst, dann gibt es keine Spuren von Gewalt. Ein paar Meilen entfernt ist ein Steinbruch. Ich schmeiß dich auf ’ne Karre, bedeck deine Leiche mit ein paar Leinensäcken und fahr dich hin. Da gibt es jede Menge tiefe Löcher, in die ich dich werfen kann. Sollte man dich jemals finden, wird die Polizei davon ausgehen, dass du aus Versehen reingefallen bist und dir den Schädel eingeschlagen hast.«
»Ist das Ganze wirklich so wichtig?«, stieß Sherlock hervor.
»Ist was so wichtig?«
»Das, was auch immer Sie hier vorhaben. Ist es wirklich so wichtig, dass Sie mich umbringen müssen, um sicherzugehen, dass niemals jemand dahinterkommt?«
Ives lachte. »Oh, man wird dahinterkommen. Die Welt wird es beizeiten erfahren. Aber
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