Young Sherlock Holmes 2
reinzuspazieren?«, schrie er. »Dank dir sind Booth und seine Männer nun gewarnt, dass man hinter ihnen her ist! Die werden so schnell abhauen wie der geölte Blitz.«
Sherlock biss sich auf die Unterlippe und versuchte, sich eine zu spontane Antwort zu verkneifen. »Ich wollte nur mal einen kurzen Blick drauf werfen«, brachte er schließlich hervor. »Ich dachte, ich könnte helfen.«
»Du hast nicht geholfen! Du hast unsere Arbeit regelrecht behindert«, explodierte Crowe. »Das ist keine Angelegenheit für Halbwüchsige! Du verfügst weder über die Fähigkeiten noch über das Wissen, um so einen Job richtig zu erledigen.«
Ein Teil von Sherlocks Verstand – ein leidenschaftsloser und unvoreingenommen-analytischer Teil – registrierte, dass Amyus Crowes Akzent ausgeprägter war, wenn er sich ärgerte. Aber ein größerer Teil wand sich unter dem peinlichen Bewusstsein, dass er gerade zwei von den drei Männern enttäuscht hatte, deren Meinung ihm am meisten auf der Welt bedeutete. Er öffnete den Mund, um ein »Tut mir leid« hervorzubringen. Aber seine Zunge war staubtrocken, und die Worte kamen ihm einfach nicht über die Lippen.
In Mycrofts Gesicht war eher Enttäuschung als Verärgerung zu lesen. »Geh auf dein Zimmer, Sherlock«, sagte er. »Wir werden dich rufen lassen, wenn …« – er warf einen Blick auf Crowe – »wir sicher sein können, dass die Diskussion in ruhigeren Bahnen verlaufen wird. Und jetzt geh.«
Mit vor Scham glühenden Wangen wandte Sherlock sich um und verließ die Bibliothek.
Durch die nachmittägliche Hitze war die Luft in der Eingangshalle drückend und stickig geworden. Er blieb einen Moment lang mit hängendem Kopf stehen, um seine Gefühle wieder in den Griff zu bekommen, bevor er den langen Aufstieg in sein Zimmer antrat. Zu allem Überfluss schmerzte auch immer noch seine Kopfhaut von der groben Behandlung des Verrückten, der ihn an den Haaren ins Haus gezogen hatte.
»Na, nicht mehr länger der verzogene kleine Prinz?«, hörte er plötzlich eine Stimme aus dem Dunkeln.
Sherlock blickte auf, als Mrs Eglantine mit einem garstigen Lächeln auf den Lippen aus dem Kabuff unterhalb der Treppenflucht hervorstolzierte. Ihr schwarzes Krinolinenkleid bewegte sich in steifen Schwingungen um sie herum, und das Geräusch, das der über den Boden streifende Stoff machte, hörte sich an, als würde jemand in einem fernen Raum flüstern.
»Wie schaffen Sie es nur, in diesem Haus zu überleben, wo Sie doch so unhöflich zu allen sind?«, fragte er leise. Er hatte heute nichts mehr zu verlieren. Schließlich konnte es nicht mehr schlimmer kommen, als es ohnehin schon war. »Hätte ich etwas zu sagen, wären Sie schon vor Jahren gefeuert worden.«
Sie schien von seiner Reaktion überrascht zu sein, und ihr Lächeln verblasste. »Du hast keinerlei Macht in diesem Haus«, blaffte sie. »
Ich
habe sie.«
»Nur solange Onkel Sherrinford noch lebt«, stellte Sherlock klar. »Weder er noch Tante Anna haben Kinder, und folglich wird das Anwesen in den Besitz des Familienzweiges meines Vaters übergehen. Und dann, Mrs Eglantine, sollten Sie sich
sehr
in Acht nehmen.«
Bevor sie irgendetwas erwidern konnte, stieg er die Treppe zu seinem Zimmer hinauf. Als er den Treppenabsatz auf der ersten Etage erreicht hatte und stehen blieb, um einen Blick in die Halle hinabzuwerfen, stand sie immer noch da.
Sherlock ließ sich auf sein Bett fallen, legte den Arm übers Gesicht und überließ sich den Gedanken, die ihm im Kopf herumschwirrten. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Sowohl Mycroft als auch Crowe hatten ihn eindringlich davor gewarnt, sich einzumischen. Was genau hatte er eigentlich mit seiner Aktion beweisen wollen?
Nach einer Weile musste er eingedöst sein, denn das Licht im Zimmer hatte sich verändert, und sein Arm, der die ganze Zeit in unbequemer Haltung über dem Gesicht gelegen hatte, kribbelte. Er stand auf und schlurfte langsam wieder nach unten, eher um sich etwas zu essen zu besorgen als aus irgendeinem anderen Grund. Denn plötzlich verspürte er einen Bärenhunger.
Die Dienstmädchen richteten bereits den Tisch fürs Abendessen her und Mycroft trat gerade aus der Bibliothek. Von Amyus Crowe war keine Spur zu sehen.
Mycroft nickte Sherlock zu. »Fühlst du dich besser?«, fragte er.
»Nicht wirklich. Ich hab was richtig Dummes gemacht.«
»Nicht zum ersten Mal und vermutlich wohl auch nicht zum letzen. Achte nur darauf, dass du daraus lernst. Einen Fehler zu
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