Young Sherlock Holmes 2
nicht wahr, Mycroft?«
»Ich will nichts versprechen, was ich nachher nicht einhalten kann«, erwiderte Mycroft mit sanfter Stimme. »Ich weiß leider nicht, was die Zukunft bringen wird, aber mit meinem Wissen und meiner Erfahrung kann ich es ungefähr einschätzen. Ich glaube, es besteht eine ziemlich große Wahrscheinlichkeit, dass sie uns Matty wohlbehalten wieder aushändigen. Aber was bis dahin noch so alles passieren könnte, ist dann wieder eine andere Frage.«
In diesem Moment kam Amyus Crowe durch die Tür. In der Hand hielt er ein zerknittertes Stück Papier.
»Das hab ich in seiner Tasche gefunden«, sagte er. »Es steht irgendeine kodierte Nachricht drauf. Bin noch nicht sicher, was sie zu bedeuten hat.«
»Ist er noch ohnmächtig?«, fragte Mycroft.
»Entweder das, oder er ist ein ziemlich guter Schauspieler. Ich habe außerdem noch einen raschen Blick auf seine Klamotten geworfen. Sowohl Schnitt als auch Etiketten sind größtenteils amerikanischer Herkunft.«
»Lassen Sie uns den Zettel untersuchen. Vielleicht finden wir einen Hinweis, wohin er seine Nachricht schicken sollte.«
Crowe glättete das Papier auf dem Schreibtisch, während Mycroft, Sherlock und Virginia sich um ihn drängten.
Auf den Zettel war eine Reihe von Buchstaben und Zahlen gekritzelt. Die krakelige Handschrift ließ darauf schließen, dass der Verfasser die Botschaft in größter Hast in der fahrenden Kutsche zu Papier gebracht hatte. Sherlock konnte zehn Zahlen-Buchstaben-Kombinationen ausmachen, die in zwei Zeilen untereinander gruppiert waren:
snes 4
opst 5
uosed
tsgri
htrne
aoekn
mfaas
pftit
tie 0 a
oca 6 g
»Was bedeutet das?«, fragte Sherlock.
»Scheint sich um eine simple monoalphabetische Substitution zu handeln«, erwiderte Crowe. »Monoalphabetische Substitutionen sind während des Amerikanischen Bürgerkrieges eingesetzt worden, um zu verhindern, dass Nachrichten in die falschen Hände geraten. Das Prinzip ist einfach. Statt zum Beispiel eines A’s verwendest du einfach einen anderen Buchstaben. Sagen wir Z. Und statt eines B’s nimmst du ein Y. Solange du und der Empfänger der Botschaft wissen, welcher Buchstabe für welchen anderen steht – also welcher Kodeschlüssel gilt –, kann die Nachricht sicher übermittelt werden.«
»Aber wir kennen den Schlüssel nicht, oder?«, gab Sherlock zu bedenken.
»Das ist richtig. Wenn wir es mit einer längeren Nachricht zu tun hätten, könnten wir es vielleicht mit Hilfe der Häufigkeitsanalyse herauskriegen. Aber leider haben wir keinen längeren Text.«
»Häufigkeitsanalyse?«
»Das ist kaum der richtige Moment für eine Unterrichtsstunde«, seufzte Mycroft, aber dennoch antwortete Crowe.
»Ein schlauer Mann hat vor vielen Jahren einmal herausgefunden, dass in englischen Texten gewisse Buchstaben mit größerer Häufigkeit vorkommen als andere. Das E kommt am häufigsten vor. Danach kommt T, gefolgt von A, O und N. Q und Z sind – wie nicht anders zu erwarten – die am seltensten verwendeten Buchstaben. Wenn du nun einen großen Textblock vor dir hast, in dem die Buchstaben durch andere ersetzt worden sind, musst du nach dem am häufigsten vorkommenden Buchstaben suchen. Denn dabei wird es sich um das E handeln. Der nächst häufigste Buchstabe ist dann wahrscheinlich das T. Das Ganze funktioniert nach dem Ausschlussverfahren. Mit ein bisschen Glück kann man genug von der Botschaft dekodieren, um den ganzen Text herauszubekommen.« Er blickte auf die Nachricht, die vor ihm lag. »Aber bei dieser bin ich mir da nicht so sicher. Wir haben nicht genug Buchstaben für eine Häufigkeitsanalyse. Allerdings bezweifle ich, dass sie genug Zeit hatten, sich einen Schlüssel auszudenken und dann noch eine Nachricht zu kodieren. Ich schätze, wir haben es hier mit etwas viel Einfacherem zu tun.«
»Einfacher?«, fragte Sherlock verblüfft.
»Zehn Gruppen zu je fünf Zeichen. Das erinnert mich an ein Raster, oder eine Tabelle.«
Rasch schrieb Crowe die Zeichen noch einmal unterhalb der Originalbotschaft auf. Diesmal allerdings in einer übersichtlicheren Anordnung:
snes 4
opst 5
uosed
tsgri
htrne
aoekn
mfaas
pftit
tie 0 a
oca 6 g
»Ein 5 : 10 -Raster lässt sich auf zwei verschiedene Arten darstellen«, sagte er nachdenklich. »Entweder auf diese Weise oder einfach anders herum, als 10 : 5 -Raster.« Geschwind brachte er eine andere Anordnung zu Papier, die aus jeweils zehn Zeichen in fünf Zeilen
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