Young Sherlock Holmes 3
hierhergeführt.«
»Wie lange war das, ehe wir eingetroffen sind?«
Der Diener dachte wieder einen Moment nach. »Kann nicht länger als fünf Minuten gewesen sein«, sagte er schließlich. »Oder vielleicht zehn.«
»Gab’s irgendwelchen Lärm oder Unruhe?«
»Nichts dergleichen, Sir.«
Crowe nickte. »Und was halten Sie von diesem Besucher? Was denken Sie über ihn?«
Brinnell verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Es steht mir nicht zu, das zu sagen, Sir«, murmelte er.
Crowe hob eine Hand in die Höhe. Eine schimmernde Halfcrown-Münze blitzte zwischen seinen Fingern auf.
»Ich würde Ihre Meinung sehr schätzen«, sagte er. »Niemand außer uns wird davon erfahren.«
Brinnell überlegte einen Augenblick. »Ist nicht nötig«, sagte er schließlich. »Ich mag Mister Holmes. Er ist immer gut zu mir gewesen. Gut gewesen, ja, das ist er. Wenn Sie ihm helfen wollen, dann ist das in Ordnung für mich.«
»Guter Mann«, lobte Crowe, und die Münze verschwand in Brinnells Hand.
»Ich dachte, dass der Kerl für seine Verhältnisse etwas übertrieben ausstaffiert war, wenn Sie verstehen, was ich meine, Sir«, sagte er.
»Ich weiß genau, was Sie meinen, und ich weiß auch Ihre Ehrlichkeit zu schätzen.«
»Hatte der Mann irgendetwas dabei?«, fragte Sherlock plötzlich.
Amyus Crowe nickte. »Gute Frage«, knurrte er.
Brinnell runzelte die Stirn und versuchte, sich zu erinnern. »Ich glaube, dass er ein kleines Etui dabeihatte. Ich erinnere mich daran, dass ich versucht habe, es ihm abzunehmen, um es zur Garderobe zu bringen. Aber er hat es an sich gepresst, als ob es die Kronjuwelen wären. Ich vermutete, dass er es für sein Treffen mit Mister Holmes brauchte.«
»Sehr aufschlussreich«, bemerkte Crowe.
In diesem Moment flog die Tür auf, und einer der Constables, die zuvor schon da gewesen waren, betrat den Raum. »Sergeant Coleman möchte, dass Sie aufs Revier kommen und eine Aussage machen«, sagte er.
»Sehr gerne«, erwiderte Crowe. »Mich würde es interessieren, zu erfahren, wie er mit den Ermittlungen vorankommt.«
»Ermittlungen?«, wiederholte der Constable mit einem Grinsen. »Nicht nötig. Wir haben unseren Mann doch auf frischer Tat ertappt.«
Der Constable geleitete sie durch den Clubraum nach draußen. Als sie gingen, sah Brinnell auf einmal so aus, als wollte er noch etwas sagen. Aber stattdessen durchquerte er den Raum und gab Sherlock ein Stück Papier. Sherlock warf einen Blick darauf:
Orville Jenkinson, Rechtsanwalt
stand da geschrieben, gefolgt von einer Adresse. Das musste der Anwalt sein, von dem Mycroft gesprochen hatte. Er lächelte Brinnell dankbar zu und nickte.
Als draußen auf dem Bürgersteig der Constable mit weit ausholenden Schritten voraneilte, wandte Sherlock sich zu Amyus Crowe um und stellte die quälende Frage, die ihm während der letzten Stunde nicht mehr aus dem Kopf gegangen war.
»Mister Crowe, was passiert, wenn sich die Unschuld meines Bruders nicht beweisen lässt?«
»Es wird eine Gerichtsverhandlung geben«, erwiderte Crowe mit finsterer Miene. »Und spricht man ihn schuldig, so fürchte ich, dass man ihn hängen wird.«
4
Das Bow-Street-Polizeirevier und das Amtsgericht waren in einem gigantischen Gebäude aus weißem Stein untergebracht, das sich an einer Straßenecke in unmittelbarer Nähe zu Covent Garden befand. Beim Näherkommen ließ Sherlock den Blick über die Fassade gleiten und prägte sich unwillkürlich deren architektonische Details ein. Hatte er doch das seltsame Gefühl, dass der Bau noch einmal eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen würde – auch wenn er hoffte, dass dies nicht deswegen der Fall war, weil man seinen Bruder dort zum Tode verurteilen würde.
Die Fassade war von horizontalen Zierfurchen geprägt, während das Dach mit Zinnen versehen war, was das Gebäude eher wie eine mittelalterliche Burg als einen Ort der Strafverfolgung aussehen ließ. Beim Blick auf die Steinfassade musste Sherlock lächeln. Wäre Matty Arnatt hier, hätte er daran problemlos wie auf einer Leiter bis zum Dach hinaufklettern können.
Stirnrunzelnd musterte Crowe die weißen Lampen, die außen am Gebäude hingen, und wandte sich an den Constable.
»Sind Sie sicher, dass Sie uns zum richtigen Ort geführt haben?«, fragte er. »Ich hatte immer gedacht, dass in diesem Land blaue Lampen vor den Polizeirevieren hängen.«
»Das war bis vor ungefähr sieben Jahren auch die Regel«, räumte der Constable ein. »Aber Ihre Majestät, die
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