Young Sherlock Holmes 3
verräterisches Platschen von sich zu geben, während ihm das kalte Wasser um die Beine strömte. Er konnte einen widerlichen, ranzigen Geruch wahrnehmen: Es war vielleicht kein Abwasserkanal, durch den er da watete, aber er hatte das Gefühl, dass so einige Leute dieses Gewässer als solchen benutzten.
Hinter sich hörte er die Geräusche, die der mürrisch klingende Mann verursachte, während er sich langsam die Leiter hinab ließ. Offensichtlich musste auch er abgeglitten sein, denn plötzlich hallte ein Ruf von der Ziegelsteindecke wider und einen Sekundenbruchteil später folgte ein lautes Platschen. Eine Wasserwelle schwappte an Sherlock vorbei und schob ihn voran. Innerlich jubilierte er. Vielleicht hatte er ja Glück; vielleicht hatte der Mann einen Herzschlag erlitten! Doch dann vernahm er eine prustende Stimme in der Finsternis, und seine kurzzeitig gute Stimmung war dahin. Das hier würde er wohl auf die harte Tour überstehen müssen.
Das Flussufer auf beiden Seiten eher erahnend als wahrnehmend, fragte er sich, ob er wohl dort hinaufklettern konnte, um aus dem Wasser zu kommen. Doch rasch verwarf er die Idee wieder.
Soweit er hatte sehen können, war das Ufer steil und schlammig. Die Wahrscheinlichkeit war nicht gering, dass er einfach wieder ins Wasser hinunterrutschen und so ein paar Minuten wertvoller Zeit vergeuden würde. Nein, so attraktiv ihm diese Möglichkeit im Moment auch vorkam, er musste sich trotzdem weiter im Flussbett voranbewegen. Durch das kalte, stinkende Wasser.
Plötzlich erkannte er, dass er sich einem weiteren Kanaldeckel näherte, der in die Ziegelsteindecke eingelassen war. Das schwache Sonnenlicht, das durch die Metallscheibe sickerte, würde auf ihn herabscheinen, wenn er nicht achtgab, und seine Position verraten. Also bewegte er sich näher an das rechte Ufer heran.
In dem schwachen Licht, das wie dichter Regen herabzufallen schien, konnte er die Sprossen einer Leiter erkennen, die vom Kanaldeckel herabführte. Sie war oben an der Mauer befestigt und unten vermutlich ins Flussbett eingelassen. Die rostigen und feuchten Sprossen sowie die senkrechten Holme sahen ziemlich zerfressen aus. Eine Sekunde lang überlegte Sherlock, ob er die Leiter hinaufklettern und versuchen sollte, von unten den Deckel aufzuschieben. Aber rasch entschied er sich dagegen. Zu viel konnte schiefgehen. Sein Verfolger würde ihn vermutlich in dem Moment entdecken, in dem er in den Lichtstrahl trat, und ihn dann einfach von der Leiter ziehen. Und selbst wenn er es durch Glück bis nach oben schaffte, würde er vielleicht den schweren Deckel nicht aufbekommen. Oder wenn er es schaffte, womöglich inmitten einer Suchmannschaft auftauchen.
Nein, ob ihm der Gedanke nun gefiel oder nicht – er musste weiter.
Sherlocks Finger glitten durch das Wasser, während er sich durch das Flussbett vorankämpfte. Plötzlich streifte etwas seine Hand, und er zog sie mit einem unterdrückten Schrei hastig weg. Sogleich malte er sich aus, dass er gerade eine Ratte berührt hatte, die durch das verdreckte Wasser schwamm. Aber vielleicht handelte es sich ja auch einfach nur um ein Stück Müll, das jemand durch einen Gitterrost oder ein Loch in der Straße weggeworfen hatte.
Vielleicht. Doch trotzdem wummerte sein Herz wie eine Dampfmaschine, und seine Hände zitterten.
Das Flussbett unter seinen Füßen war uneben und morastig. Permanent blieben seine Füße stecken, und er musste sich jedes Mal anstrengen, um sie wieder herauszuziehen. Gott allein mochte wissen, in welchem Zustand seine Schuhe sein würden, wenn er hier herauskäme –
falls
er jemals wieder herauskäme. Auch Pflanzen gab es da unten im Wasser, lange Gräser, die sich um seine Knöchel schlängelten und sein Vorankommen sogar noch mehr verlangsamten. Zuweilen musste er den Fuß regelrecht nach vorne reißen, damit sich die Pflanzen von ihren Wurzeln lösten. Er malte sich aus, wie sich seine Schuhe unter Wasser fortbewegten, über und über mit Schlamm bedeckt und Wasserpflanzen hinter sich herziehend.
Die Geräusche hinter ihm ertönten jetzt in einem regelmäßigeren Rhythmus: ein gleichmäßiges
Platsch … Platsch … Platsch
, das sein Verfolger erzeugte, während er sich den Weg durch das Flussbett bahnte. Sein Atem kam in rasselnden und keuchenden Stößen, was sich wie eine Dampfmaschine in den letzten Zügen anhörte.
Sherlock versuchte das Dunkel vor ihm zu durchdringen, in der Hoffnung, irgendwo vor sich vielleicht die Umrisse der
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