Young Sherlock Holmes 4
Kopf zu heben, nahm er zunächst nichts anderes wahr als Pflastersteine und hin und wieder den Rand einer Steinmauer.
Und flackernde Schatten. Die gesamte Umgebung schien von Fackeln beleuchtet zu sein.
Wo war er nur? Er dachte an die granitsteinernen Konturen der Edinburgher Burg, die sich über der Stadt erhob. Sie waren doch wohl nicht so weit geritten, dass sie wieder in Edinburgh waren? Oder gab es noch andere Burgen in der Nähe?
Sherlock wurde einen Korridor entlanggetragen und schließlich in einen Raum gebracht. Er vernahm Bellen und Geknurre. Auf der anderen Seite des Raumes befand sich ein eingezäunter Bereich, auf den mehrere Männer mit eifrigem Interesse ihren Blick gerichtet hatten. Einige von ihnen tauschten untereinander Geld aus. Durch Lücken in der Umzäunung konnte Sherlock zwei Hunde erkennen – riesige Hunde die gegeneinander kämpften. Wie von Sinnen stürzten sie sich aufeinander, zerrten mit ihren Zähnen an den Ohren des Gegners und kratzten mit ihren Klauen über dessen Augen und Fell. Im flackernden Licht der Fackeln sah Sherlock, dass der Boden blutbespritzt war. Einige Spritzer glänzten frisch, andere jedoch waren schon getrocknet. Kein Zweifel, hier kämpften schon seit einiger Zeit Hunde gegeneinander – und vielleicht nicht nur Hunde.
Im nächsten Augenblick wurde er auch schon aus dem Raum getragen und in einen anderen verfrachtet. Hier gab es keine umzäunte Arena – stattdessen hatten sich Männer und Frauen um einen grob umrissenen Kreis versammelt, der mit Kreide auf die Steinplatten gezeichnet worden war. In dessen Zentrum umkreisten sich zwei Männer mit vorsichtigen, lauernden Bewegungen. Sie waren von der Hüfte aufwärts nackt, und ihre Brustkörbe glänzten, als wären sie mit Öl eingerieben. Bei einem zogen sich Kratzmale von Fingernägeln den Körper hinab. Urplötzlich trat der andere vor und bückte sich. Er packte den ersten um die Hüfte, stemmte ihn in die Luft und schmetterte ihn gleich darauf wieder zu Boden. Die Menge schrie und johlte und geriet völlig aus dem Häuschen.
Einen Moment später wurde Sherlock auch aus diesem Raum hinausgetragen. Im nächsten gähnte ihm eine rechteckige Grube in der Mitte entgegen, um die ein Laufgang herumführte. Das Ding sah ähnlich wie ein Schwimmbecken aus, nur dass sich kein Wasser darin befand und sich ein hüfthoher Zaun aus breiten Bretterbohlen um den gesamten Grubenrand herumzog. Sherlock nahm plötzlich einen ranzigen, animalischen Geruch war.
Irgendetwas gab einen knurrenden Laut von sich. Sherlock wurde klar, dass dort unten ein Tier eingepfercht war. Offensichtlich hatte es die Männer, die ihn trugen, gehört, denn es warf sich mit solcher Wucht gegen den Zaun, dass die Bohlen erzitterten. Was um Himmels willen mochte sich da unten befinden?
Die Männer eilten auf die gegenüberliegende Tür zu, anscheinend in ziemlicher Furcht vor der Bestie.
Sherlock wurde in einen großen Raum gebracht und auf den Boden fallen gelassen.
Eine Weile lag er einfach nur da und starrte nach oben. Seine Arme und Beine kamen ihm fast zehn Zentimeter länger vor. Und so wie er sich fühlte, musste sein Körper förmlich übersät von blauen Flecken sein. Wie es aussah, war er nicht gerade in der Lage, irgendjemandem großartig Schaden zuzufügen.
Die Decke bestand aus weißem Putz, der durch hölzerne Träger in Vierecke unterteilt war. Sie wirkte alt und eindrucksvoll, doch in jeder Ecke hingen riesige Streifen Spinnweben wie graue Lumpen hinunter.
Sherlock schloss die Augen und lauschte. Er konnte das Knistern eines Feuers hören – Scheite, die in der Hitze zerbarsten – und im Hintergrund ein Gemurmel, ein Flüstern, Kichern und Scharren von Füßen, was klang, als würde eine Ansammlung von Menschen auf irgendetwas warten. Ein Publikum, das der Show entgegenfieberte. Er konnte Schweiß riechen und Essen, und über all dem noch den Gestank des Tieres aus der Grube im Nebenraum.
Schließlich zwang sich Sherlock in eine sitzende Haltung und blickte sich um.
Er befand sich in einer steinernen Halle. Brennende Fackeln hingen an den Wänden und tauchten alles in ein flackerndes, rötliches Licht. Teppiche, die eher aussahen wie von Motten zerfressene Läufer, bedeckten die Wandflächen neben den Fackeln. Zwischen diesen und den Wandteppichen wiederum lugten auf schildartige Tafeln montierte, ausgestopfte Tierköpfe in den Raum. Bei den meisten von ihnen handelte es sich um Hirsche mit ausladendem Geweih. Aber
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