Young Sherlock Holmes 4

hatte.
    »Sie haben gesagt, dass einige Ihrer Männer im Hafen arbeiten?«, fragte er.
    Macfarlane nickte.
    »Was, wenn ich Ihnen sagen könnte, welche Ihrer Männer hier im Hafen arbeiten und welche nicht. Würde Sie das überzeugen?«
    »Nur indem du sie ansiehst? Ohne ihnen irgendwelche Fragen zu stellen?« Macfarlane schüttelte den Kopf. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie du das fertigbringen solltest.«
    »Stellen Sie zwanzig Ihrer Männer in einer Reihe auf«, antwortete Sherlock. »Sagen Sie mir nicht einmal, wie viele davon im Hafen arbeiten. Ich werde es allein herausfinden.«
    »Lass es uns noch schwieriger machen«, sagte Macfarlane. »Du darfst auch keinen Blick auf ihre Hände werfen, nur für den Fall, dass du auf Seilabschürfungen oder so was gehofft hast.«
    Sherlock zuckte die Achseln. »Wenn Sie das glücklicher macht.«
    Macfarlane entfernte sich von Crowe, als hätte er vergessen, dass der große Amerikaner überhaupt da war. Er wies auf verschiedene Männer in der Menge. »Du, du und du da hinten an der Wand. Dougie, du auch. Und du, Fergus … Hände auf den Rücken, alle.«
    Während Macfarlane seine zwanzig Männer auswählte, lenkte Rufus mit einer verstohlenen Geste Sherlocks Aufmerksamkeit auf sich. »Bist du dir deiner Sache sicher, Sherlock? Kannst du das wirklich?«
    »Ich glaube schon«, erwiderte Sherlock. »Und ich bin nicht sicher, ob wir eine Alternative haben. Wir müssen irgendwas finden, das ihn dazu bewegt, uns freizulassen. Wenn Sie einen besseren Plan haben …?«
    Rufus zuckte mit den Schultern. »Nicht so aus dem Stegreif.«
    »Na schön«, verkündete Macfarlane in diesem Moment. »Dann zeig uns mal deinen kleinen Trick.«
    Zwanzig Männer hatten sich in einer Linie an der Wand aufgestellt, und alle verbargen ihre Hände hinter dem Rücken. Vom Alter her bewegten sie sich zwischen Sherlock und einer Handvoll Männern, die wohl in den Sechzigern sein mochten. Ob an den Hälsen oder hinter den Ohren: Sie alle starrten förmlich vor Schmutz, und ihre Unterarme zierten grob gemachte, blaue Tätowierungen. Einigen fiel das Haar lang bis auf die Schultern hinab, andere trugen einen Pferdeschwanz oder hatten gar nur Stoppeln auf der Kopfhaut. Sherlock begab sich an das eine Ende der Reihe. Doch anstatt an ihr entlangzugehen und die Gesichter und Kleidung der Leute zu mustern, was seiner Vermutung nach Macfarlane von ihm erwartete, ging er in die Hocke und untersuchte die Schuhe des ersten Mannes so genau wie nur möglich. Er hörte, wie in der Menge der Schläger und Diebe hinter ihm vereinzeltes Gelächter ausbrach, aber das ignorierte er. Auf Händen und Knien krabbelte er die Reihe entlang und nahm Schuhe, Stiefel und Hosenaufschläge in Augenschein.
    Als er das Ende der Reihe erreicht hatte, richtete er sich wieder auf. Die in einer Linie dastehenden Männer reckten die Hälse und betrachteten ihn mit fasziniertem, teils auch argwöhnischem Blick, während sich der Rest der Menge unterhielt und vereinzelt auf Sherlock wies.
    »In Ordnung«, sagte er. Er ging an der Reihe entlang zurück und zeigte dabei nacheinander auf fünf Männer. »Du, du, du, du und … ja, du. Tretet vor.« Er blickte zu Macfarlane hinüber, der ihn fasziniert beobachtete. »Diese Fünf arbeiten alle regelmäßig im Hafen. Die anderen fünfzehn nicht.«
    »Du hast recht. Du hast absolut recht.« Macfarlane bedeutete den Männern, sich wieder unter die anderen zu mischen. »Woher wusstest du das?«
    »Sie arbeiten in der Nähe von Salzwasser«, antwortete Sherlock, »und das verrät sie. Zwangsläufig kommen sie regelmäßig mit Spritzern von Hafenwasser in Berührung. Das habe ich in anderen Fällen schon mal erlebt. Salzwasser bewirkt zweierlei. Wenn es in Schuhleder eindringt und wieder austrocknet, hinterlässt es dort weiße Flecken, wo sich das Salz auf dem Leder abgelagert hat. Das Gleiche passiert bei Wasserspritzern, die sich in Hosenaufschlägen sammeln. Denn wenn das Wasser verdunstet, bleiben Salzkristalle zurück. Diese fünf Männer haben weiße Flecken auf ihrem Schuhleder, Salzkristalle in ihren Hosenaufschlägen oder beides.«
    »Ich bin wirklich beeindruckt«, gab Macfarlane zu. »Du scheinst deine fünf Sinne tatsächlich beisammenzuhaben, was man von den Bullen, die den Mord untersuchen, den meine Schwester begangen haben soll, nicht gerade behaupten kann. Also schön, ich mache von deinem Angebot Gebrauch. Ich muss dir allerdings sagen, dass dir nicht viel Zeit bleibt. Es ist