Young Sherlock Holmes 4
Fall, dass mir der hier entwischt.«
Der Mann schüttelte kurz den Kopf, als er wieder auf die Beine kam. Auf seinem Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Verdrossenheit und Wut wider.
»Ich will den da, Marky. Ich will ihn unbedingt. Du hast gesehen, was er mit mir gemacht hat.«
»Ich hab’ gesehen, wie du auf deinen fetten Arsch geknallt bist«, knurrte Marky. »Scher dich nach draußen. Jetzt ist nicht die Zeit, über Beulen und verletzte Gefühle rumzujammern. Der Boss wird mit dem hier ein Wörtchen reden wollen. Wie ich dich kenne, wirst du dem Jungen dafür, dass er dich lächerlich gemacht hat, den Hals aufschlitzen. Und dann lässt der Boss es an uns beiden aus.«
Der Mann – vermutlich Nicholson, wenn Sherlock die Namen in Betracht zog, die er gehört hatte – zog sich zurück und wandte sich dem Ausgang zu. Allerdings nicht, ohne Sherlock zuvor noch einen letzten unheilvollen Blick zuzuwerfen.
»Du willst nicht wirklich da zum Fenster raus«, sagte Marky und bedachte Sherlock mit einem Lächeln. »Wenn Nicholson dich dabei erwischt, biste aller Wahrscheinlichkeit nach schon hin, bevor deine Füße überhaupt den Boden berühren. Ganz gleich, was ich zu ihm gesagt hab’. Er mag es nicht, lächerlich gemacht zu werden. Überhaupt nicht.«
»Was wäre denn meine Alternative?«, fragte Sherlock, ohne den Blick von Markys Augen abzuwenden, denn er suchte nach Anzeichen dafür, dass der Mann im Begriff war, erneut mit der hakenbewehrten Stange zuzustoßen.
»Die Alternative ist, dass du die Stange weglegst und mit mir kommst. Der Boss will mit dir reden, mehr nicht. Nur ein kleines Pläuschchen führen.«
Sherlock schüttelte den Kopf. »In Anbetracht dessen, was ich getan habe, denke ich doch, dass meine Chancen bei Ihrem Freund da draußen besser stehen als bei Josh Harkness. Zumindest würde ich schneller sterben.«
Marky zuckte die Achseln. »Ich kann dein Argument nachvollziehen, kann ich wirklich. Ist ’ne verzwickte Sache, nicht? Haust du durch das Fenster ab, stirbste zwar auf der Stelle, dafür aber schnell. Kommst du mit mir mit, bleibste länger am Leben, aber dein Tod dauert länger und ist qualvoller.« Er senkte die Stimme, offensichtlich bestrebt, Sherlock einzulullen. »Weißt du, Junge, wenn ich du wäre …«
Ohne Vorwarnung kam seine Stange vorgeschossen. Er versuchte, mit dem Haken hinter Sherlocks Schulter zu gelangen, so dass er ihn in die Muskel- und Fleischmasse oberhalb der Schulterblätter bohren und Sherlock daran zu sich ziehen konnte. Doch Sherlock hatte die leichte Weitung der Augen registriert, die eine physische Aktion seines Gegners ankündigte. Dies war eines der Dinge, die ihm Amyus Crowe beigebracht hatte – mit Hilfe von kleinen Bewegungen darauf zu schließen, was die Leute im nächsten Augenblick tun würden. »Körpersprache« hatte er das genannt. Sherlock ließ seine mit beiden Händen gepackte Stange vor seinem Körper von links nach rechts wirbeln, fing Markys vorschnellende Waffe ab und lenkte sie zur Seite.
»Du willst es also auf diese Tour«, sagte Marky und zog sich wieder etwas zurück. »Ein Patt, richtig? Außer, dass es zwei gegen einen heißt, sobald der Boss hier auftaucht, und du dann keine Chance mehr hast.«
»Es gibt immer eine Chance«, widersprach Sherlock mit so viel Großspurigkeit, wie er nur aufbringen konnte.
»Es gibt nur zwei Wege hinaus«, hob Marky hervor. »Beide sind versperrt. Wenn du nicht wie durch Zauberhand durch Wände spazieren oder im Boden verschwinden kannst, gibt es keine Hoffnung zu entkommen.«
»Gibt es doch, und zwar wenn …« Sherlock konnte sich gerade noch davon abhalten, Mattys Namen zu nennen. »Wenn mein Freund entkommt, bevor Nicholson draußen am Fenster ist. Er wird geradewegs zur Polizei marschieren, und die werden in ein paar Minuten hier sein.«
Marky schüttelte verächtlich den Kopf. »Die Bullen hier trauen sich nicht, auch nur einen kleinen Finger gegen den Boss zu rühren. Er weiß viel zu viel über sie.«
»Aber wie will er das beweisen?«, fragte Sherlock. »Sein ganzes Belastungsmaterial hat sich gerade aufgelöst.«
Marky runzelte die Stirn und dachte nach.
»Sobald die Polizei erfährt, dass alle Briefe und Dokumente, die Harkness gegen sie in der Hand hatte, sich in den Gerberbottichen aufgelöst haben, wissen sie, dass er sie nicht mehr erpressen kann. Was werden sie dann wohl tun?«
Durch Markys verstörten Gesichtsausdruck ermuntert, legte Sherlock noch eine
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