Young Sherlock Holmes 4
Rinderhäute in die Bottiche. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie die auf ihre Schultern wuchten und eine nach der anderen reinschmeißen. Das wäre ziemlich anstrengend und sehr chaotisch. Ich glaube, die lassen sie einfach die Schütte runterrutschen. Wenn sie abgelenkt sind, organisiere ich die Schütte und fahre sie hier vom Laufsteg zum nächstbesten Bottich aus. Dann können wir die Kartons einfach runterrutschen lassen.«
»Das ist ein Plan«, sagte Matty. »Ich bin nicht sicher, ob’s ein guter Plan ist, aber mit fällt kein besserer ein.«
»Schön, dann mal los.«
Sherlock ging zur Tür und öffnete sie einen Spaltbreit. Der Augen und Nase traktierende, stechende Gestank der Gerberei wurde stärker. Als Sherlock hinausspähte, stellte er fest, dass der Raum immer noch verlassen war, auch wenn er Stimmen hören konnte. Was immer auch Josh Harkness mit seinen Arbeitern gerade machte, dauerte eine Weile.
Er wandte den Kopf und blickte Matty an. »In Ordnung, los jetzt!«, zischte er.
Matty drückte sich an ihm vorbei durch die Tür. Leise bewegte er sich auf dem erhöhten Laufsteg auf ein paar Stufen zu, die in den zentralen Bereich des Raumes hinunterführten. Unten angekommen, huschte er von Bottich zu Bottich, jeden sorgfältig als Deckung nutzend, bis er aus Sherlocks Blickfeld verschwunden war.
Die nächsten fünf Minuten waren nervenaufreibend. Zur Untätigkeit verdammt, wartete Sherlock ab, kaum fähig zu atmen und ohne Ahnung, ob Matty es wirklich schaffen würde, ein Loch in den Bottich zu ritzen. Vielleicht versuchte sein Freund gerade verzweifelt, sich durch eine Holzwand zu arbeiten, die sich als zu hart für seine Klinge erweisen würde. Oder vielleicht hatten ihn Harkness oder einer seiner Männer schon längst geschnappt.
Eine Bewegung etwas weiter abseits im Raum erregte seine Aufmerksamkeit. Einer der Männer mit den langen Hakenstangen war wieder hinter einem der Bottiche aufgetaucht. Dann blieb er erst einmal stehen, um sich mit einer Hand eine Zigarette zu drehen. Sherlocks Blick huschte zu der Stelle, an der Matty verschwunden war. Aber der Junge war nicht zu sehen, und der Arbeiter machte irgendwie nicht recht den Eindruck, als hätte er gerade einen Eindringling erwischt. Also musste Sherlock davon ausgehen, dass Matty noch nichts passiert war.
Gerade als er den Blick abwenden wollte, sah er hinter einem der Bottiche einen Kopf auftauchen. Es war Matty. Von dessen Position aus konnte er den Mann mit der Stange nicht sehen, aber würde er sich nur ein paar Zentimeter von der Stelle bewegen, wäre er in dessen Blickfeld. Verzweifelt versuchte Sherlock, seinen Willen auf Matty zu lenken, damit er in seine Richtung schaute. Doch sein Freund schien gerade all seinen Mut zusammenzunehmen, um zu den Stufen zurückzulaufen.
Sherlock wollte gerade schon irgendein Geräusch machen, um Mattys Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, als der Junge plötzlich zu ihm hochblickte. Sherlock bedeutete ihm, dort zu bleiben, wo er war. Matty schüttelte den Kopf. Sherlock wies mit einem Nicken auf die Stelle, an der der Arbeiter stand, und deutete mit seinen Fingern eine Gehbewegung an. Matty nickte. Er hatte verstanden.
Sherlock richtete den Blick wieder auf den Arbeiter. Inzwischen hatte er sich die Zigarette angesteckt und schlenderte nun weiter, die Stange wie ein Gewehr geschultert. Noch ein paar Schritte, und er würde Matty entdecken, sobald er einen Blick nach links warf.
Sherlock hatte keine Ahnung, was er machen sollte. Wenn er die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich lenkte, würde er sich verraten. Aber er durfte auch nicht zulassen, dass Matty entdeckt wurde.
Jemand rief etwas von der anderen Seite der Bottiche zu dem Mann hinüber. Dem Klang nach konnte es sich um den Arbeiter handeln, der mit Josh Harkness diskutiert hatte. »Hier is ’ne undichte Stelle!«, schrie er.
»Ihr wisst, was zu tun ist«, ertönte gleich darauf Harkness’ Stimme. »Marky, hol ein paar Lappen, um das Zeugs aufzuwischen. Nicholson, wir beide dichten das Loch schnell mit Hanf ab und nageln dann einen Flicken drüber.«
Der Mann mit der Stange sauste los, um den anderen zu helfen. Sherlock winkte Matty zu. Der flitzte hinüber zu den Stufen, und Sherlock rannte ihm entgegen. »Du fängst schon mal an, die Kartons rauszutragen«, sagte er. »Ich hol’ die Schütte.«
Matty verschwand wieder im Lagerraum, und Sherlock rannte zu der Stelle, an der die Holzschütte am Geländer lehnte. Sie war schwerer, als
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